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Endlagersuche für AtommüllNeues bei der 1-Million-Jahre-Frage

Atommüll aus 60 Jahren Kernkraftnutzung muss ein Endlager finden. Geeignet ist laut einem Bericht nur noch ein Viertel der Bundesrepublik.

Ist nicht mehr für die Endlagerung von Atommüll vorgesehen: Der Salzstock in Gorleben, Jahrzehnte lang von der Politik als „sicher“ bezeichnet Foto: Christian Charisius/reuters
Nick Reimer

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Nick Reimer aus Berlin

Es geht um 27.000 Kubikmeter Strahlenmüll, der auch in einer halben Million Jahre noch tödlich wirkt: Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat einen neuen Arbeitsbericht vorgelegt, nachdem rund ein Viertel des bundesdeutschen Grundes prinzipiell geeignet sind, Standort für hochradioaktiven Abfall aus der Atomstromproduktion zu werden. Um die Ergebnisse der breiten Öffentlichkeit zu vermitteln, wurde ein Online-„Navigator“ erarbeitet. „So können alle Menschen sehen, dass es mit der Endlagersuche voran geht und wie es in ihrer Region derzeit aussieht“, sagte BGE-Chefin Iris Graffunder.

Die geographische Verteilung spielt bei der Bearbeitung der Teilgebiete für die BGE keine Rolle

Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE)

Gesucht wird in jenen 90 Teilgebieten, die im Jahr 2020 von der BGE als prinzipiell geeignet erachtet wurden. Der Salzstock in Gorleben, Jahrzehnte lang von der Politik als „sicher“ bezeichnet, war nicht mehr dabei. All jene Teilgebiete, die im Navigator nun hellblau leuchten, haben die Prüfschritte 1 und 2 der „repräsentativen vorläufige Sicherheitsuntersuchungen“ weitgehend bestanden – zu gut deutsch: sie sind noch im Rennen. Die meisten dieser Gebiete gibt es in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen.

Rheinland-Pfalz und weite Teile Brandenburgs sind dagegen raus aus der Standortsuche. Allerdings weist die Karte noch sehr viele graue Flächen aus. Das sind Gebiete, in denen die Sicherheitsuntersuchungen noch nicht abgeschlossen sind. Flächenmäßig fällt ins Auge, dass in Süd- und Südostdeutschland sehr viel mehr Teilgebiete untersucht worden als in Norddeutschland. „Die geographische Verteilung spielt bei der Bearbeitung der Teilgebiete für die BGE keine Rolle“, erklärt die BGE. Ausschlaggebend sei vielmehr die Verfügbarkeit der erforderlichen Daten und die sind in den süddeutschen Bundesländern und in Sachsen und Thüringen leichter zugänglich als beispielsweise in Mecklenburg oder Schleswig-Holstein. Dort hatte 2024 eine Serverpanne dazu geführt, dass die Zuverlässigkeitsüberprüfungen des Fachpersonals stockte, es konnte niemand eingestellt werden.

Aktuell lagert der Strahlenschrott aus 60 Jahren Atomverstromung an 16 verschiedenen Standorten in fast 1.800 Castor-Behältern. Bis Ende 2027 will die BGE fünf bis zehn Regionen ermitteln, die geologisch am besten für die Endlagerung geeignet erscheinen. Im nächsten Schritt sollen diese Standorte dann überirdisch erkundet werden, erst danach sollen Bohrungen tatsächlich den Grund untersuchen.

Endlager frühestens 2074

Ursprünglich geplant war, das Verfahren in den 2040er Jahren abzuschließen und dann das Endlager zu bauen. Eine Untersuchung durch das Öko-Institut kam aber zu dem Ergebnis, dass dies frühestens 2074 der Fall sein wird. Dann müsste das Endlager aber noch geplant und errichtet werden. Im aktuellen Haushalt des Bundesumweltministeriums sind 52 Prozent aller Gelder für den Atommüll vorgesehen – der größte Einzelposten von Umweltminister Carsten Schneider (SPD). Die Atomkonzerne hatten sich mit Einzahlung von 24 Milliarden Euro in den Kenfo, den „Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung“, von weiteren Kosten freigekauft. Experten bezweifeln, dass diese Summe ausreicht.

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