Auf 13 Joints mit Helmut Höge: Nur so unpraktische Gedanken

Helmut Höge ist taz-Autor, taz-Hausmeister und Tierforscher. Wir treffen uns mit ihm auf 13 Joints, oder so. Diesmal: das Internet.

Helmut Höge interessiert sich für die Glühbirnenforschung. Er informiert sich darüber im Internet. Bild: dpa

Mittwochabend, im Treppenhaus der taz, auf der durchgesessenen rotbeigefarbenen Couch im fünften Stock, draußen ist es schon lange dunkel. Helmut Höge dreht einen Joint, so dick wie ein Daumen. Die Gespräche über ein mögliches „No-Spy-Abkommen“ zwischen den USA und Deutschland gelten als gescheitert.

Derweil meldet die „New York Times“, dass der amerikanische Auslandsgeheimdienst NSA Computer offenbar auch offline ausspionieren kann. Hast du Angst, dass die NSA deine Daten sammelt, Helmut? „Ich bewege mich in so unpraktischen Gedanken“, sagt er, „in jeder Hinsicht.“ Das lohnt sich für die NSA nicht, da zu folgen.

Auf Youtube gibt es Videos, in denen Füchse auf einem Trampolin herumspringen. Oder Neuigkeiten aus der Glühbirnenforschung. Solche Sachen postet Helmut Höge, taz-Autor, Aushilfshausmeister und Tierforscher, auf seinem Facebook-Account. Oder er schreibt über die Ausstellung „Global Activism“, die in Karlsruhe eröffnet wurde. Über Snowden, Assange und Manning.

Daniel Suarez hat in seinen Science-Fiction-Romanen prophezeit, was heute alle wissen: Die Überwachung im Netz ist total. Der Autor und Hacker hat sich ein neues Internet ausgedacht. Wie das aussieht, erklärt er im Interview in der taz.am wochenende vom 18./19. Januar 2014 . Darin außerdem: Eine Hommage an den 100. Geburtstag von Arno Schmidt, eine Geschichte von einem traumatisierten Soldaten, der gegen die Geister des Krieges kämpft und eine Reportage über die Tram Linie 1 in Jerusalem, die die gespaltene Stadt dennoch verbindet. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Er hat nämlich einen Blog: „Hier spricht der Aushilfshausmeister!“ Wie findest du das Internet, Helmut? Gut, sagt er. Dort entdecke er immer Neues. Einmal hat er etwas über die Bounty gelesen, „das Schiff, nicht den Schokoriegel“, und es kamen so viele Links, dass er und seine Freundin sich immer weitergeklickt haben und dann war es schon morgen und sie waren immer noch nicht fertig. „Was für tolle Irre, haben wir uns gedacht.“

99-mal geschickt

Amazon? Benutzt er nicht. Facebook? Ja, privat. Aber da kommt immer mehr Werbung und er weiß nicht, wie er die wieder los wird. Bestimmt nicht so einfach, sagt er, das ist ja auch Sinn der Sache. Wann er zum ersten Mal im Internet war, weiß er nicht mehr. Wahrscheinlich als die taz zum ersten Mal im Internet war, so 1993.

Zuhause hat er keinen Computer, auch keine Schreibmaschine. Eine private E-Mail-Adresse auch nicht. Früher hat er für die Zeit gearbeitet – aber seine Texte immer mit der Post geschickt. Dann sagten sie: Herr Höge, Sie können auch Internet. Die Zeit, sagt Höge, war ein bisschen hintendran. Er hat es geschickt und dann angerufen und ganz unsicher gefragt: Ist es denn angekommen? Ja, sagte die Sekretärin, 99 Mal. „Ich weiß nicht, was da passiert ist.“ Aber die Sekretärin sagte, sie kann es löschen. „Ich wäre etwas überfordert gewesen, hätte ich es löschen müssen, 99 Mal.“

Die Geschichten plätschern und schaffen ein wohliges Grundrauschen. Und hier, in der taz? „Das Internet erleichtert meine Arbeit ungeheuerlich. Ich bin gerne auf Wikipedia. Oder schaue: Wie schreibe ich Wörter – getrennt, groß oder klein?“

Mormonencluster

Außerdem findet er es toll, was die Leute ins Internet reinstellen. Ein Mädchen, zum Beispiel, das Spatzen großgezogen hat. „Das Mädchen hat sich im Internet unglaublich informiert, Spatzen essen ja, wenn sie klein sind, Würmer und keine Körner. Ich hatte auch mal einen Spatz, aber der hat wohl eher durch Glück überlebt. Wir wussten gar nichts und haben ihm Ei gegeben.“

Helmut dreht einen zweiten Joint. Ich – kann nicht mehr. Nur die Sachen um die Jahrhundertwende sind etwas unterrepräsentiert, sagt er. Marx, Lenin, das stellen die Fans ins Internet, aber nichts über Tiere und Biologie. Und die NSA? Ist das Internet nicht auch eine Bedrohung? Weil wir überwacht werden?

Mich interessieren daran die Mormonen, sagt Höge, die sind die IT-Avantgarde. Und Weltmeister im Datensammeln: Aus Kirchenbüchern holen sie sich weltweit alle Namen und Geburtsdaten. Sie nehmen auch Menschen in ihre Sekte auf, die schon lange tot sind. Hitler und Goebbels zum Beispiel. Über eine Stellvertreterehe nämlich, vor einem Mormonenaltar. In den Himmel kommen nur die, deren Daten sie gespeichert haben. Und diese Daten, die lagern bombensicher in einem Granitfelsen in den Rocky Mountains, sagt Höge. Google und Facebook lagern ihre Daten in den Nachbardörfern. Auch alles Mormonencluster.

Die Gedanken gleiten an den Wörtern ab. Bestimmen Algorithmen irgendwann, wie wir denken? „Ja – genveränderte Würmchen, genveränderte Äffchen, das passiert ja alles mit Algorithmen. Das Gen ist ein Algorithmus zur besseren Organisation von Daten. Insofern ist das die Zukunft.“ Er hat jetzt zwei Computer, erzählt Höge, die muss er noch nach Hause transportieren. Ein Russe von einem Berliner Konzern hat ihm die geschenkt, der ist Admin da. Er will sie nicht ans Internet anschließen zu Hause, aber vielleicht ab und zu eine DVD damit anschauen.

Und wie nutzen Sie dieses Internet? Halten Sie Ihre Gedanken auch zu unpraktisch für die NSA? Oder fürchten Sie die Überwachung und denken über Alternativen zum Netz nach? Diskutieren Sie mit! Die Titelgeschichte „Nun zittert das Establishment“ über den Hacker und Autor Daniel Suarez, der sich ein neues Internet ausgedacht hat, weil die Überwachung im alten total ist, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 18./19. Januar 2014.

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