Aufklärung des Abgasskandals: Der schweigsame Herr Winterkorn

Der Ex-VW-Chef trägt vor dem Untersuchungssausschuss wenig zur Aufklärung des Abgasskandals bei. Damit könnte er dem Konzern viel Geld ersparen.

Martin Winterkorn

Sehr schweigsam: Martin Winterkorn Foto: reuters

BERLIN taz | Zwei Personenschützer, zwei Anwälte, ein besonders großer Saal, in dem rund 100 Besucher – vorwiegend Journalisten und Lobbyisten – Platz nehmen: Der Zeuge, der am Donnerstagmorgen in Berlin vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Abgasskandal erscheint, ist nicht irgendwer. Von Martin Winterkorn, dem ehemaligen VW-Chef, versprechen sich viele Menschen Aufklärung darüber, wie es zu Betrug und Manipulationen kommen konnte, die den größten europäischen Autokonzern in eine tiefe und vor allem teure Krise stürzten. Aber nach zwei Stunden Befragung ist klar: Winterkorn sagt wenig bis nichts.

Zunächst entschuldigt sich Winterkorn dafür, dass Volkswagen Millionen Kunden getäuscht habe. „Das kostet Unmengen von Geld und Vertrauen.“ Im Konzern habe es aber kein „Schreckensregime“ gegeben, jeder habe bei Problemen zu ihm kommen können. Dies sei aber im Fall der Abgasreinigung nicht geschehen. Winterkorn bestritt, schon länger Bescheid gewusst zu haben. „Das ist nicht der Fall.“

VW hatte im September 2015 zugegeben, in den USA rund 500.000 Diesel-Autos verkauft zu haben, in denen eine illegale Motorsteuerungssoftware die Abgasreinigung manipuliert. Bei offiziellen Tests funktioniert die Abgasreinigung; im Alltag wird sie heruntergefahren, um den Kunden das häufige Nachtanken des Reinigungszusatzes Adblue zu ersparen. Weltweit sind etwa 11 Millionen Fahrzeuge des Wolfsburger Konzerns betroffen. Wenige Tage nach Bekanntwerden des Skandals trat Winterkorn zurück.

Jetzt also sein erster großer Auftritt seitdem. Aber er nutzt die Chance nicht, reinen Tisch zu machen. Stattdessen erweckt er den Eindruck, von Mitarbeitern getäuscht worden zu sein. Und er verweigert Aussagen zur Frage, ob er vor September 2015 etwas über die Manipulationen wusste – mit Verweis auf strafrechtliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen ihn. Niemand muss sich selbst belasten.

Bei seinen Aussagen geht Winterkorn offensichtlich an den Rand der Selbstverleugnung. So räumt er ein, mit VW-Aufsichtsratschef Ferdinand ­Piëch lange vor Bekanntwerden des Skandals über Rückrufaktionen in den USA gesprochen zu haben, bei denen es um Verbesserungen der Abgaswerte gegangen sei. Für den genauen Hintergrund dieser gravierenden Maßnahme will sich Winterkorn aber nicht weiter interessiert haben – recht unglaubwürdig für einen Chef, der seine Produkte bis ins kleinste Detail kennt.

Warum redet Winterkorn so? Vermutlich will er nicht nur sich selbst, sondern auch Volkswagen schützen. Denn eines wäre wirtschaftlich der Worst Case für VW: Wenn gerichtsfest bewiesen würde, dass der Vorstand jahrelang Betrug förderte. Dann würden Strafen und Schadenersatzzahlungen ins Unermessliche steigen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.