Aufmarsch der Neonazis in Dresden: Braune Rituale

Bis zu 2.000 Neonazis werden in Dresden erwartet. Die rechte Szene hat wegen der zunehmenden Proteste lange über den Verlauf des "Gedenkmarsches" nachgedacht.

Dresden ist vorbereitet auf den braunen Aufmarsch. Bild: dapd

DRESDEN taz | Am Hauptbahnhof kommen die Neonazis an. "Das Eintreffen ist sichergestellt", prangt am Montagmorgen in roten Buchstaben auf der Mobilisierungswebsite des "Aktionsbündnis gegen das Vergessen". Bis 18.00 Uhr werden in Dresden an die 2.000 Neonazis zu dem alljährlichen vermeintlichen Gedenkmarsch erwartet. "Die Landtagsfraktion mit Herrn Apfel wird da sein", versichert der NPD-Bundespressesprecher Frank Franz der taz. Auch sie will dem "Befehl des Gewissens" folgen.

Gleich nahe dem Bahnhof, an der Ammonstraße hat das "Aktionsbündnis" um Maik Müller ihren Veranstaltungsauftakt. Im vergangenen Jahr war den Freien Nationalisten die Zusammenarbeit mit der NPD nicht ganz so recht.

2012, ist aber nicht 2011: Die Erfahrungen an der Elbe, wegen dem breiten Protest nicht wie geplant aufmarschieren zu können, wirken nach. In diesem Jahr haben die militanten Neonazis anlässlich des Marsches wegen des Luftangriffes auf Dresden 1945 eng mit der NPD zusammen gearbeitet.

Zwei Mal in Folge, 2011 und auch 2010, war die Szene von der NPD über die Kameradschaften bis zu den Autonomen Nationalisten auch nachhaltig enttäuscht. Der einst größte Neonazimarsch in Europa mit bis zu über 6.000 Teilnehmer wurde zum wiederholten Mal durch einen vielfältigen Widerstand gestoppt.

Zum Aufmarsch der Neonazis in Dresden und den zahlreichen Protest- und Widerstandsaktionen berichtet taz.de aktuell von vor Ort in dem + + + Liveticker Neonazi-Aufmarsch + + +

Das rund 800 Neonazis spontan durch den Stadtteil Plauen marschierten und Kameraden das linke Wohnprojekt "Praxis" im Stadtteil Löbtau angreifen konnten, hob die Stimmung wenig. "Dresden 2011 endet mit Niederlage" erklärte noch am Abend des Marsches das Szeneportal "Mupinfo".

Wie weiter Gedenk- und Trauermärsche ausrichten, wurde heftig diskutiert – sehr heftig. Die "Junge Landsmannschaft Ostdeutschland" (JLO) um den Bundesvorsitzenden Kai Pfürstinger, die über Jahre die Märsche an der Elbe verantworteten, zog eine Marschanmeldung für den 18. Februar 2012 gar zurück.

Nach den "bekannten Problemen" sei ein "zufriedenstellender Ablauf der Vor- nach Nachbreitungen" für eine erneute "Durchführung nahezu unmöglich" gewesen, erklärte indes das "Aktionsbündnis".

Zu viel Gedenkkultur

Mit der Fokussierung auf ein Datum hat sich vor allem Holger Apfel als neuer NPD-Bundesvorsitzender in der Szene etwas durchgesetzt. Noch vor seiner Kampfkandidatur gegen den langjährigen Bundesvorsitzenden Udo Voigt hatte Apfel in der Parteizeitung Deutsche Stimme sich im Kontext zu Dresden gefragt: "Warum kann man sich nicht auf einen Tag verständigen, an einem Ort stellvertretend aller Opfer und aller bombardierten Städte zu gedenken".

Und er antwortet in der Mai-Ausgabe der Monatszeitung (Auflage 25.000 Exemplare) 2011 gleich selbst: "Es ist wichtig und richtig, dass wir an Tagen wie dem 13. Februar, die anglo-amerikanischen Vernichtungsexzesse in Erinnerung rufen", wenig zielführend sei, dass jedoch die ersten drei bis vier Monate des Jahres nur der "Gedenkkultur gewidmet werde.

Mehr noch: Er schimpfte gar, das "nationale Lager" würde sich "teilweise nur noch über seine Trauerkultur definieren". Will doch seit Jahren schon die NPD-Führung einen gegenwartsbezogen Kurs vorantreiben.

Spontane Kleinaktionen

Aber nicht bloß die NPD sucht nach neuen Wegen. Die Aktionsformen selbst hinterfragen Freie Nationalisten. Weg von angemeldeten Großaktionen, hin zu spontanen Kleinaktionen ist das neue Credo der ewig Gestrigen.

In den vergangenen Jahren rief das "Aktionsbündnis" schon öfters zu Aktionswochen vor dem Marsch an der Elbe auf. In diesem Jahr scheinen Freie Nationalisten jedoch in über 30 Städte kleinere und größere Aktionen durchgeführt zu haben - von Kreuze und Kerzen aufstellen, über Infostände und Flugblattverteilung, bis hin zu Transparente und Plakate aufhängen.

In manchen Städten wie Berlin, Dresden oder Celle führten sie mehrere Aktionen durch. Weitere dürften noch bekannt werden.

Mit Flugblättern und selbst gebastelten Puppen, die symbolisch Brandopfer darstellten, fuhren Neonazis in Berlin mehrere Stunden mit der S-Bahn oder der U-Bahn.

Nur ein Marsch angemeldet

"Neue Aktionsformen werden gesucht und auch schon länger ausprobiert", sagt Martin Langebach, Rechtsextremismusexperte von der Universität Düsseldorf.

Dem widerspricht Stefan Thiel vom "Bündnis Dresden Frei" nicht, betont aber: "Es ist jetzt schon ein Erfolg, das die Neonazis dieses Jahr bisher nur einen Marsch offiziell angemeldet haben". Auch wenn für den 18. Februar noch eine weitere Aktion in Dresden folgen könnte.

An der Elbe soll der Marsch traditionell verlaufen. Mit brennenden Fackeln und schwarzen Fahnen planen sie zu marschieren. Eckart Bräuniger, NPD-Bundesvorstand, dürfte als einer der Hauptredner auch wieder vom "Bombenholocaust" sprechen und erneut von den Alliierten Morden bis heute reden.

"Wir sind schuld an der Geschichte" wird auch der weitere Redner Detlev Rose wohl nicht einräumen.

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