Aufmerksamkeit für einen Gedenkort: Fledermaus und Zwangsarbeiter

Die ARD zeigt heute einen wichtigen Film über den „Bunker Valentin“ – der sich jedoch bei der Gewichtung der mit dem monströsen Bau verbundenen Aspekte verhebt.

Finstere Vergangenheit, unklare Zukunft: der Bunker "Valentin" in Bremen-Farge. Bild: dpa

BREMEN taz | Thomas von Bötticher ist der geborene Laudator. Mit sonorer Stimme preist der Fernsehchef von Radio Bremen die Produktion „Hitlers U-Boot-Bunker“ über den in Farge gelegenen „Bunker Valentin“, den sein Haus heute zum Nachtprogramm der ARD beisteuert. Bei der Preview-Veranstaltung im Rathaus schwärmt Bötticher von zusammengelegten Produktionsetats, einer „Hochleistung in Haushaltsnotlage“ und so ermöglichten 3-D-Animationen. Dabei hatte Senatssprecher Hermann Kleen zuvor bereits sehr deutlich gemacht, was bei diesem Thema herausstellenswerter sein könnte als die Eleganz von kamerabestückten Helikopterflügen: Die schlichte Tatsache, „in welch ungeheurem Ausmaß auch in Bremen selbst Kriegsverbrechen stattfanden“.

Beim 1943 begonnenen Bau des Bunkers wurden Zehntausende von KZ-Häftlingen, Kriegsgefangenen und anderen Zwangsarbeitern geschunden, mindestens 1.000 starben grausam.

Nun hat Radio Bremen in der Tat große Verdienste im Bemühen, die monströse Geschichte dieses Bauwerks bekannter zu machen. Mit der Dokumentation von 1980 „Keiner verlässt lebend das Lager“ begann die kritische Auseinandersetzung mit dem „Valentin“, der zuvor auch mal als „Achtes Weltwunder von der Weser“ Bremer Ansichtskarten schmücken durfte. Auch der heute Nacht ausgestrahlte Film von Susanne Brahms wird Aufmerksamkeit erzeugen, die dringend gebraucht wird: Der Ausbau des Bunkers zum „Denkort“ steckt noch immer in einer Anfangsphase, die Finanzierung der dazugehörigen Stellen – auch die der hervorragend arbeitenden wissenschaftlichen Leitung – läuft Ende kommenden Jahres aus. Und es ist alles andere als gewiss, ob sich der Denkort bis dahin konzeptionell und baulich ausreichend etabliert haben wird.

Ausstellung und Film

"Hitlers U-Boot-Bunker" wird heute um 23.40 Uhr in der ARD gezeigt, anschließend ist die Dokumentation in der ARD-Mediathek abrufbar.

Die Friedensgemeinde beschäftigt sich derzeit intensiv mit dem "Bunker Valentin": Sie zeigt seit Sonntag eine Ausstellung des Gymnasiums Obervieland, das gemeinsam mit israelischen SchülerInnen Zeitzeugen befragt hat. "Geschichte in Beton" ist bis zum 30. März mittwochs, donnerstags und sonntags in der Humboldtstraße zu sehen. Das Begleitprogramm ist auf www.friedenskirche-bremen.de zu finden.

Doch trotz allen Rückenwindes, den die ARD-Dokumentation dem Denkort hoffentlich verschafft, muss man auch deren Schwächen benennen. Schon die Einordnung in die ARD-Reihe „Geheimnisvolle Orte“, in der unter anderem Hitlers Reichskanzlei und der Bonner Kanzlerbungalow gewürdigt werden, ist etwas unglücklich. Die Reihe schaue „hinter die Fassaden“, heißt es bei der ARD, sie suche „faszinierende geschichtsträchtige Orte auf, wo sich ,große Geschichte‘ ereignete“. Massenmord und Folter sind keine „große Geschichte“.

Mit bedeutungsschwangerer Musik nähert sich die fliegende Kamera zu Beginn dem Koloss, nach einigen Minuten kriegt sie jedoch zum Glück die Kurve – und landet bei denen, die bei allem Interesse für die gigantischen technischen Dimensionen des Bauwerks immer im Zentrum einer Beschäftigung mit ihm stehen müssen: den Lagerinsassen. Der Film greift zurück auf die erschütternden Archiv-Aufnahmen Überlebender, die – und das ist ein gelungenes Gestaltungsmittel – direkt aus dem Beton heraus zu sprechen scheinen. Als neuen Zeitzeugen führt die Dokumentation einen früheren Lehrling ein, der die Baustelle als technikbegeisterter Azubi erlebt hat. Ihm wird länglich Raum gegeben, um sich an technische Details zu erinnern. Die Produktion verschenkt befremdlich viel Zeit und Ressourcen mit der Frage, wie der Bunker funktioniert haben könnte, der ja, so der Zeitzeuge, „fast fertig geworden wäre!“ Um das zu verdeutlichen, engagierte Radio Bremen Grafikdesigner und Computeranimateure, denen der alte Herr hochinteressiert über die Schulter schaut.

Der Film folgt über einige Strecken dem guten Einfall, Schüler beim Erarbeiten von Bunkerführungen zu beobachten. Mit ihrem eigenen Konzept weckt die Dokumentation jedoch stellenweise Befremden: Will man beispielsweise wissen, dass das erstmals am „Valentin“ erprobte Schnellbetonbau-Verfahren patentwürdig war – wenn kurz zuvor geschildert wird, wie die Betonmisch-Sklaven ausgepeitscht wurden? Und interessiert man sich in diesem Kontext tatsächlich so ausführlich für die heute im Bunker lebenden Fledermäuse, wie die Filmemacherin das tut?

Fragwürdig ist zudem, dass sich die ARD für einen Titel entschieden hat, der eher zu Guido Knopp und dem ZDF gepasst hätte: Mit „Hitlers U-Boot-Bunker“ verspricht man sich offenbar Quote, stützt aber ein Geschichtsbild, das den NS-Staat einseitig auf die Figur des „Führers“ hin fokussiert – was im Umkehrschluss alle andern entlastet. Dabei entsprang der Bunkerbau unmittelbar der mörderischen Kriegslogik der Reichsmarine und wurde von deren führenden Köpfe entwickelt. „Der Dönitz-Bunker“ klänge jedoch unspektakulär – und dass Hitler nie vor Ort war, spielt dann keine Rolle. „Zum Glück hält der Film nicht das, was der Titel verspricht“, kommentiert Marcus Meyer, Mitarbeiter des Denkorts. Das sei als Kompliment aufzufassen.

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