Aufnahme von tunesischen Flüchtlingen: Frau Merkel ziert sich

Die Bundesregierung will keine Bootsflüchtlinge aufnehmen. Die Opposition sieht das Land dagegen in der Pflicht. Und findet die Haltung der Kanzlerin "dreist".

Dagegen: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) möchte keine Bootsflüchtlinge aufnehmen. Bild: dpa

BERLIN taz | Über den Umgang mit dem Ansturm tunesischer Flüchtlinge auf Lampedusa wird in Deutschland heftig gestritten. Nachdem sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu Wochenbeginn klar gegen eine generelle Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland ausgesprochen hatte, appellierte die Opposition am Dienstag an die Solidarität der EU-Staaten mit den Flüchtlingen und dem überforderten Aufnahmeland Italien.

Als "dreist" bezeichnete Josef Winkler, flüchtlingspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, die Haltung der Kanzlerin, Deutschland werde keine Flüchtlinge aufnehmen. Deutschland sei "gerade angesichts der geringen Asylbewerberzahlen der letzten 20 Jahre" gefordert, sagte Winkler der taz. Es könne "nicht angehen, dass Italien alleine gelassen wird".

Sollte der Zustrom anhalten und Italien mit der Bewältigung überfordert sein, müsste über Ausnahmen von der Asylrechtspraxis nachgedacht werden und Asylbewerber müssten auf andere Mitgliedstaaten umverteilt werden, sagte Winkler. Auch der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy forderte in der Neuen Osnabrücker Zeitung eine europäische Quotenregelung, "die anerkannte Flüchtlinge am Maßstab der Bevölkerungszahl und der bisherigen Flüchtlingsaufnahme auf die 27 EU-Länder verteilt".

Das Dublin-Abkommen zwischen den EU-Staaten sieht eine Weiterleitung von Flüchtlingsströmen in andere Mitgliedstaaten eigentlich nicht vor. Asylbewerber müssen bis zur Prüfung ihrer Anträge in dem Land bleiben, in dem sie zuerst die Europäische Union betreten haben.

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Philipp Mißfelder, erneuerte seine Warnung vor einer Aufnahme nordafrikanischer Flüchtlinge. Auch bei einer deutlich größeren Zahl von Flüchtlingen bleibe er bei seiner Haltung, dass "im Herkunftsland selbst geholfen" werden solle. "Die neuen Freiheiten in Nordafrika haben für Europa zweifellos massive Folgen", sagte Mißfelder der taz. "Für Italien verändert dies die Aufgabenstellung entscheidend", so Mißfelder. Tunesien sehe er aber eher als ein kurzfristiges Problem: "In Zukunft werden sich die Probleme der Migration aus Afrika insgesamt verschärfen."

Als "fatales Signal an zarte Demokratiebewegungen" bezeichnete der Europareferent von Pro Asyl, Karl Kopp, den Umgang mit den Flüchtlingen. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Tunesien müsste für "ordentliche Migration die Türen geöffnet werden". Auch die Linken-Innenpolitikerin Ulla Jelpke wandte sich "gegen einen weiteren Ausbau der Festung Europa". Pro-Asyl-Vertreter Kopp kritisierte darüber hinaus den Stil der aktuellen Diskussion: "Runter mit der Notstandsrhetorik!", forderte er gegenüber der taz.

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