Aufrüstung der deutschen Polizei: Modernisierung statt Militarisierung

So martialisch wie in Ferguson treten europäische Polizisten eher selten auf. Die Strategie der Einschüchterung durch Stärke lässt sich aber auch hier beobachten.

Hundertschaft bei den Blockupy-Prostesten in Frankfurt in 2013. Bild: dpa

BERLIN taz | Es sind Bilder wie aus einem Kriegsfilm: Auf die Proteste einiger hundert Einwohner der US-Kleinstadt Ferguson, die sich wegen der Erschießung des Jugendlichen Michael Brown durch einen Polizisten in Wut gerieten, reagiert der Staat mit einer massiven Machtdemonstration. Hochgerüstete Polizisten und Soldaten in Gestalt der Nationalgarde haben die Stadt in Beschlag genommen.

Mit gepanzerten Armeefahrzeugen, Scharfschützen, Gummigeschossen und Schallwaffen versuchen sie die Unmutsäußerungen zu verhindern. Dass dies bisher misslang, liegt an dem Mut der Verzweiflung mit dem die Demonstranten allabendlich mit erhobenen Händen auf die Sicherheitskräfte zugehen ­– in eben jener Geste, die Brown vor seinem Tod gezeigt haben soll. Die Geste zu einem Symbol dafür geworden wie schutzlos die Bürger in Ferguson den militärisierten Einheiten ausgeliefert sind.

Bilder wie diese, die eher an Kriegsschauplätze als an das Aufeinandertreffen von Demonstranten und Polizisten in rechtsstaatlichen Demokratien erinnern, sind aus Europa in dieser Dimension nicht bekannt, doch die polizeiliche Strategie der Einschüchterung durch Stärke lässt sich auch hier beobachten. Erst kürzlich rückte die Polizei in Wien zur Räumung eines von 17 Punks besetzen Hauses nicht nur mit 1.700 Beamten, sondern auch mit einem Panzerwagen an. Und in Berlin waren fast eintausend Einsatzkräfte damit beauftragt worden, den Auszug der Flüchtlinge aus einer besetzten Schule in Kreuzberg voranzutreiben, darunter einige aus Thüringen herbeigerufene Kräfte mit Maschinengewehren.

Dass die Hochrüstung US-amerikanischer Polizisten für Deutschland eine Blaupause sein könnte, verneint Reiner Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) gegenüber der taz entschieden: „Das Auftreten der Polizei in Ferguson ist absolut kontraproduktiv und wird die Konflikte eher fördern als mindern“, sagt Wendt, der als Polizei-Lobbyist selten um eine martialische Forderung verlegen ist.

Zufrieden mit dem „Dreiklang“

Auch sein Vize Joachim Lenders, Vorsitzender der DPolG in Hamburg legt Wert auf die Unterschiede beim Auftreten der Polizei in Deutschland und den USA: „Wir sind eine Bürgerpolizei und wollen es bleiben. Mit den martialischen Riten wollen wir erst gar nicht anfangen“. Beide, Wendt und Lenders, zeigen sich dann auch grundsätzlich zufrieden mit der Ausrüstung der deutschen Bereitschaftspolizei, die Demonstranten mit dem bekannten Dreiklang aus Schlagstöcken, Pfefferspray und Wasserwerfern bearbeiten.

Natürlich fordern sie höhere Investitionen, um stets auf dem neuesten Stand zu sein, besonders auf die Modernisierung des Wasserwerferfuhrparks legen sie großen Wert. „Dabei reicht es nicht, 20 Jahre alte Wasserwerfer blau anzumalen“, so Lenders. Für andere Distanzwaffen, die gegen gewalttätige Massen zum Einsatz kommen könnten, sehen beide aber keine Notwendigkeit. Zwar sieht Lenders „an der einen oder anderen Stelle die Möglichkeit Gummigeschosse einzusetzen“, doch der Einsatz gegen größere Menschenmengen mit einigen Gewalttätern sei „zu gefährlich“.

Forderung nach Tasern

Nachholbedarf sehen die Polizei-Gewerkschafter dagegen woanders. So fordern sie die Einführung von Tasern. Die Elektroschockgeräte, die in Deutschland bislang nur von Spezialeinheiten verwendet werden, sollen für Streifenwagen zur Standardausrüstung gehören, fordern sie. Im vergangen Jahr gaben deutsche Polizisten 42 gezielte Schüsse auf Personen ab, acht davon mit Todesfolge. Ob sich diese Zahl durch Taser reduzieren ließe, ist fraglich. Die Erfahrung aus den USA zeigt eher, dass Taser vor allem in Situationen eingesetzt werden, in denen Polizisten niemals schießen würden.

Während die Taser-Einführung zwar in einigen Bundesländern diskutiert, aber nirgends entschieden ist, haben die Polizisten bei ihren Forderungen nach immer stärkerer Überwachung bessere Karten. So preist Wendt die Aufzeichnungsmöglichkeiten der neuen Wasserwerfer und Lenders setzt auf die Ausrüstung seiner Beamten mit Body-Cams. Die kleinen Kameras, die auf der Schulter mitgeführt werden können, sollen die Hemmschwelle zum Angriff auf Polizisten erhöhen. Ab Herbst beginnt in der Hamburger Davidwache ein Modellversuch; in Hessen sind die Kameras bereits im Einsatz.

Von einer Hochrüstung der deutschen Polizei will Andreas Seifert von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) nicht sprechen: „Es gibt keine Aufrüstung in der Waffenform, sondern in der Technologie, besonders in immer bessere Überwachungsmechanismen“, sagt er gegenüber der taz. Eine Einführung von Gummigeschossen oder Schallwaffen (LRAD), die mit einem für das menschliche Ohr unerträglichen Signal Protestler auf Abstand halten können, sei nicht so einfach möglich. „Dafür bräuchte es Eskalationsszenarien, doch soweit ist die politische Diskussion noch längt nicht“, so Seifert.

Einsatz der Bundeswehr

Einen Einsatz der Bundeswehr, etwa zur Niederschlagung von Protesten sieht Seifert ebenso nicht als konkrete Gefahr, dennoch betrachtet er die jüngeren Entwicklungen mit Argwohn. Während einerseits das verfassungsrechtliche Verbot des Einsatzes der Armee im Inneren „immer mehr aufgeweicht werde“, werde das Training zur Aufstandsbekämpfung in urbanen Gebieten immer wichtiger. 250 Bundeswehrsoldaten, die demnächst in Israel im Häuser- und Tunnelkampf trainiert werden sollen, stehen ebenso dafür, wie die Errichtung einer militärischen Übungsstadt in Schnöggersburg.

Als Erweiterung des Gefechtsübungszentrums (GÜZ) in der Altmark, wird hier eine Stadtanlage errichtet, in der Soldaten ihren Einsatz in Städten oder U-Bahn-Tunneln trainieren können. Für Seifert zielen die Szenarien gezielt auf „Situationen in mitteleuropäischen Städten“. Doch der Einsatz der Bundeswehr im Inneren bleibt vorerst ein Gedankenspiel.

Dass es das Militär jedoch gar nicht braucht, um militärisch aufzutreten, haben die Ereignisse in Ferguson gezeigt. Der US-amerikanische Autor und Journalist Radley Balko (“Rise oft he Warrior cop“) sieht in ihnen den Ausdruck einer höchstgefährlichen Entwicklung, wie sie die USA in den vergangen Jahren genommen hat. „Wenn wir Polizeibeamte wie Soldaten trainieren, ihnen militärische Ausrüstung geben, sie wie Soldaten anziehen und ihnen sagen, dass sie einen Krieg führen – gegen Verbrechen oder gegen Terror – dann beginnen sie, sich selbst als Soldaten zu sehen.“ Für Balko sind die Folgen klar. Eine solche Polizei ist eine Gefahr für das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Bürgerrechte im Allgemeinen.

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