Aufruf in Osteuropa: Solidarität statt Hass und Abschottung

Intellektuelle und ehemalige Spitzenpolitiker fordern in einer gemeinsamen Erklärung eine weniger restriktive Politik gegenüber Flüchtlingen.

Polens Ex-Präsident Bronislaw Komorowski.

Gehört zu den Unterzeichnern des Appells für eine andere Flüchtlingspolitik: Polens Ex-Präsident Bronislaw Komorowski. Foto: dpa

WARSCHAU taz | Angstverzerrte Fratzen, Hassparolen und Stacheldrahtzäune, um verzweifelte Flüchtlinge aus Kriegsgebieten von den eigenen Grenzen fernzuhalten: Nicht alle Menschen in den MEO-Mitgliedsländern sind mit diesem Bild ihrer Heimatländer einverstanden.

„Wir stehen vor einer humanitären Katastrophe von außergewöhnlich großem Ausmaß“, mahnen knapp hundert Intellektuelle und ehemalige Spitzenpolitiker aus Polen, Ungarn, Tschechien, der Slowakei und den baltischen Republiken in einem offenen Brief (hier als pdf) an die eigenen Regierungen. „Hunderttausende Flüchtlinge […] hoffen darauf, in unserem gemeinsamen Europa Zuflucht, Sicherheit und normale Lebensbedingungen finden zu können. Vor nicht langer Zeit sind wir es gewesen, die an die Tore Europas klopften.“

Die Intellektuellen und Politiker, darunter die Ex-Präsidenten Polens Bronisław Komorowski und Aleksander Kwaśniewski, erinnern an die Solidarität als fundamentalen Wert der Europäischen Union. Statt die Grenzen und Herzen vor den Flüchtlingen zu verschließen, fordern die Unterzeichner des Appells die Regierungen und Bürger „unserer Länder im Namen unserer Menschlichkeit, im Namen unserer Prinzipien und Werte“ dazu auf, Solidarität mit den Flüchtlingen zu zeigen: „Auch unter uns sollen sie einen ruhigen Hafen finden, um als vollkommen freie Menschen über ihre Zukunft entscheiden zu können.“

Ob der Appell eine Kehrtwendung der restriktiven Flüchtlingspolitik in den MOE-Staaten bewirkt, wird sich zeigen. Immerhin erkannten aber bereits Polens Medien, dass die bisherige Berichterstattung mehr Desinformation, Angst und Xenophobie vermittelte denn solides Wissen.

Polens Souveränität bedroht

Schuld an dem Info-Desaster sind auch rechtsnationale Politiker, die vor einer angeblichen „Islamisierung Polens“ durch die Aufnahme von ein paar hundert muslimischen Flüchtlingen warnen, vor der angeblichen Einführung der Scharia und den künftig von Muslimen vollgepinkelten katholischen Kirchen. Die Brüsseler EU-Kommission wiederum, die den Polen „Quoten“ aufdrücken wolle, bedrohe die Souveränität Polens so wie es in Zeiten des Kommunismus Moskau getan habe.

Rund 40 von ihnen starteten nun eine gemeinsame Informationskampagne unter dem Titel: „Mehr Wissen, weniger Angst: Flüchtlinge in Polen“. Schirmherr und zugleich erste Informationsquelle ist das Ausländeramt Polens.

Schon die Tabelle „Immigranten in der EU“ räumt mit der Legende von der angeblichen „Überfremdung“ Polens auf: Gerade mal 0,3 Prozent Ausländer leben in dem 38-Millionen-Einwohner-Staat, so wenig wie in keinem anderen EU-Land. Auch die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge, die Polen jedes Jahr anerkannt, hält sich in Grenzen. In diesem Jahr sind es bislang 249.

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