Aufstand in Syrien: Karikaturist verprügelt

Der Karikaturist Ali Farzat stellt in seinen Zeichnungen die Heuchelei und Brutalität der Machthaber in der Region bloß. Nun liegt er verletzt im Krankenhaus.

Witz als Waffe: Karikaturist Ali Fersat in seinem Atelier in Damaskus. Bild: dapd

BERLIN/BEIRUT taz/dapd/dpa | Ein Mann mit krausen grauen Haaren und Bart liegt in einem Krankenhausbett. Über seinen geschlossenen Augen klebt ein Verband, seine beiden Hände sind dick in Mullbinden gewickelt. Blut sickert durch die weißen Bandagen. Das etwas verschwommene Foto im Internet illustriert deulich, mit welcher Härte das syrische Regime derzeit gegen seine Kritiker vorgeht.

Ali Farzat, 65 Jahre alt, zählt zu den bekanntesten Karikaturisten der arabischen Welt. Seit Jahrzehnten stochert er mit spitzer Feder in den dunklen Ecken der nahöstlichen Politik. Seine Zeichnungen sind beklemmende und zugleich witzige Studien über die Heuchelei und Brutalität der herrschenden Regime.

Nun ist er selbst zum Opfer der Repressionen geworden. Der 65-Jährige war am Donnerstag früh um vier auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, als ihm auf dem zentralen Omayyadenplatz in Damaskus ein Lieferwagen den Weg abschnitt. Lautn Berichten sprangen bewaffnete, maskierte Männer aus dem Fahrzeug, zerrten Farzat auf die Straße und prügelten auf ihn ein. Dann stießen sie ihn in den Lieferwagen. Stunden später wurde sein blutiger, bewusstloser Körper an der Ausfallstraße zum Flughafen gefunden. Sein Gesicht ist von Prellungen und Schnitten übersäht. Doch die Schläger konzentrierten sich vor allem auf seine Hände; die linke wurde sogar gebrochen.

Am Omayyadenplatz liegen zahlreiche staatliche Gebäude, der Platz wird rund um die Uhr von Militär und Polizei bewacht. Undenkbar, dass ein solcher Überfall dort ohne Billigung der Sicherheitskräfte geschehen kann. "Das war eine deutliche Botschaft des Regimes", sagt ein enger Freund und Kollege Farzats, der anonym bleiben will. "Sie wollen, dass er aufhört zu zeichnen."

Farzat ist einer der schärfsten Kritiker des Regimes. Seit dem Beginn der Proteste gegen Präsident Baschar al-Assad sind seine Zeichnungen noch direkter, wagemutiger geworden. "Er hat sich an die Seite des Volkes gestellt", sagt sein Freund, "deswegen hat es diesen Angriff gegeben." Zuletzt bildete Farzat sogar Assad selbst ab - ein solcher Tabubruch wäre vor wenigen Monaten undenkbar gewesen. In den Karikaturen erscheint der Präsident als dürres Männchen im Anzug. Es bläst schillernde Seifenblasen von einem Rednerpult oder hockt auf der Lehne eines Sessels, weil aus der Sitzfläche Sprungfedern stechen. Dabei haben sich der Präsident und der Karikaturist einmal gut verstanden: Mitte der 90er Jahre besuchte der junge Augenmediziner Baschar al-Assad eine Ausstellung Farzats. Er lobte die Bilder und sagte ihm, er sehe gar keinen Grund, warum er zensiert werde.

Nach seinem Amtsantritt im Jahr 2000 sorgte der Präsident persönlich dafür, dass Ali Farzat die Genehmigung erhielt, seine eigene Satirezeitung Ad Domari auf den Markt zu bringen.

Doch das Verhältnis zwischen den beiden kühlte schnell ab. Als Farzat einen Beitrag über die Korruption innerhalb des Regimes veröffentlichte, wurde die Publikation geschlossen. "Ali Farzat hat sich noch nie einschüchtern lassen", sagt sein Freund, früherer Redakteur bei Ad Domari. "Er ist trotz allem optimistisch und will so schnell es geht wieder zeichnen."

Sarkozy schließt militärische Intervention ohne Resolution aus

Das Vorgehen der Regierung ist international scharf kritisiert worden. Zudem wurden Rücktrittsforderungen gegen Assad laut, der bewaffnete Gruppen für die Gewalt in seinem Land verantwortlich macht.

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy schloss am Mittwoch ein militärisches Eingreifen in Syrien ohne internationalen Rückhalt aus. Die "Bedingungen für eine militärische Intervention sind nicht vorhanden", sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem libyschen Rebellenführer Mahmud Dschibril in Paris. Frankreich werde nicht "ohne eine internationale Resolution" intervenieren. Das bedeute aber nicht, dass man es erlauben dürfe, dass das syrische Volk "von einem Regime massakriert" werde, "das sich von einem Tag auf den anderen disqualifiziert", betonte Sarkozy.

Die Europäische Union verhängte am Mittwoch Sanktionen gegen eine Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarde und weitete damit den internationalen Druck auf das Assad-Regime aus. Der Iran ist ein enger Verbündeter Syriens. Die USA und andere Staaten werfen dem Iran vor, der syrischen Regierung bei der Niederschlagung der Proteste geholfen zu haben. Nach Angaben der EU stellte die mit Sanktionen belegte Einheit Ausrüstung zur Verfügung, um die syrischen Proteste zu unterdrücken.

16 Menschen getötet

Bei den Protesten von Regimegegnern in Syrien hat die Armee nach Angaben von Aktivisten weitere 16 Menschen getötet. Wie die Oppositionellen am Donnerstag mitteilten, kamen am Vortag allein in Homs sieben Menschen ums Leben. Homs ist die zweitgrößte Stadt des Landes und ein Zentrum der seit März andauernden Proteste gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad. Tote habe es auch in Damaskus, der Hafenstadt Latakia, Deir al-Zor im Nordosten sowie in Idlib nahe der türkischen Grenze gegeben.

Assad warnte unterdessen vor einer "ausländischen Verschwörung" gegen sein Land. Diese richte sich vor allem gegen die Rolle der Armee. Zudem erklärte er, seine Regierung treibe mit entschiedenen Schritten die versprochenen Reformen voran.

Nach Angaben der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, sind seit März etwa 2200 Menschen bei den Protesten in Syrien ums Leben gekommen, davon mehr als 350 seit Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan Anfang August. Sie hatte am Montag zudem von "anhaltend schweren Menschenrechtsverletzungen" in dem Land berichtet.

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