Auftakt Champions League: Nimm das, Uli!
Der FC Bayern gewinnt im ersten Champions-League-Spiel 3:1 gegen Chelsea. Und startet so eher wie ein Favorit als ein Außenseiter in die Königsklasse.

taz | Uli Hoeneß hat in der Regel alle Hände frei auf der Autofahrt von der Münchner Arena nach Bad Wiessee im Süden. Der Ehrenpräsident des FC Bayern wird chauffiert und deshalb konnte er sich am späten Mittwochabend – oder vermutlich war es sogar schon der frühe Donnerstag – auf der Heimfahrt permanent vor Freude auf die Schenkel klopfen. Eine knappe Stunde, so lange dauert es um diese Zeit vom Norden der Stadt bis hinaus an den Tegernsee, hatte er Zeit, seine Muskeln und Knochen zu malträtieren.
Die Szene des schenkelklopfenden Patrons ist freilich nicht überliefert und vermutlich fand sie so auch nicht statt. Aber dass Hoeneß feixend nach Hause kam, dürfte schon stimmen. Sie hat super geklappt, seine Finte mit Hoffenheim. Der Meister ist in die Champions League nicht wie ein Außenseiter gestartet, sondern beim 3:1-Sieg gegen den Klub-Weltmeister FC Chelsea am Mittwochabend eher wie ein Favorit in der Königsklasse.
Mit seiner Aussage, dass die Bayern wie Hoffenheim in die internationale Saison gehen würden, angesichts des finanziellen Ungleichgewichts nach einem Sommer, in denen die englischen Klubs exorbitante Ablösen bezahlten, beabsichtigte er vor allem, Druck von der Mannschaft zu nehmen. Dass sein Weggefährte Karl-Heinz Rummenigge das nicht gleich durchschaute und vehement widersprach („Der FC Bayern ist immer Favorit“), ist eine andere Sache.
Nun wehrte sich also auch die Mannschaft gegen die Kleinrederei von Hoeneß. Auf dem Platz. „Ich bin der Meinung, dass wir gegen jeden gewinnen können, wenn wir unser Spiel auf den Platz bekommen“, sagte Konrad Laimer.
Eine reife und erwachsene Vorstellung
Gegen Chelsea ist das ziemlich gut gelungen, nicht in jedem Moment, aber die wenigen kritischen Situation, überstanden die Münchner fast alle gut, besser als vergleichbare Situationen im vergangenen Jahr. „Es war nicht 90 Minuten perfekt“, gab Joshua Kimmich zu, „trotzdem war es eine recht reife und erwachsene Vorstellung.“
Zwar kassierten die Bayern nach altem Muster – Ballverlust in der eigenen Hälfte, dann unsortiert in der Defensive – wieder ein Gegentor. Aber anders als früher behielten sie die Kontrolle nach Cole Palmers Anschlusstreffer, ließen sich nicht noch einmal überrumpeln, sondern Harry Kane fügte seinem verwandeltem Foulelfmeter noch einen zweiten Treffer hinzu. Und durfte für seine wieder einmal außergewöhnliche Leistung die Trophäe der UEFA für den Spieler des Spiels mit nach Hause nehmen.
Eingeleitet hatte den Sieg der Londoner Trevoh Chalobah mit einem Eigentor zum 1:0 für die Bayern. Die Vorstellung sei „sehr beeindruckend“ gewesen, „wir konnten zeigen, dass wir es auch noch draufhaben“, sagte der Vorstandsvorsitzenden Jan-Christian Dreesen, offensichtlich auch kein Anhänger der Hoffenheim-Theorie von Hoeneß.
Er warnte dann noch schnell vor „vermeintlich einfacheren Namen und Gegnern“. Den nächsten in der Bundesliga zum Beispiel, denn das ist: Hoffenheim. Am Samstag in Sinsheim sind, um es mit Hoeneß zu halten, die Bayern dann wieder in der Chelsea-Favoriten-Rolle.
Die besondere Energie
Die Mannschaft, so hat es nach den ersten Spielen dieser Saison den Anschein, hat sich weiterentwickelt, wurde von Trainer Vincent Kompany weiterentwickelt. Sie wirkt gefestigt und in entscheidenden Phasen konsequent, aggressiv.
Die Umstellungen nach der frühen Verletzung von Josip Stanišić und der Auswechslung des verwarnten Jonathan Tah in der Pause – die Kompany als „Vorsichtsmaßnahme“ bezeichnete – haben weder Spielfluss noch den Zugriff in der Defensive beeinträchtigt. Es sei „eine besondere Energie und Stimmung“ in der Mannschaft, stellte Kimmich fest.
Ein Spieler wie der Rechtsverteidiger Sasha Boey, der in der vergangenen Saison noch ein Risikofaktor war, zeigt nun stabile, ja solide Leistungen. Dass sich mit Alphonso Davies und Jamal Musiala auch noch zwei wichtige Leistungsträger der Bayern derzeit verletzungsbedingt in Reha befinden, fällt kaum auf.
Kapitän Manuel Neuer, der nun Lothar Matthäus als ältester Champions-League-Spieler der Bayern abgelöst hat, sieht die Mannschaft auf einer „positiven Welle“ reiten. Weil es in der Natur der Sache liegt, dass solche Wellen irgendwann auslaufen, ist es wichtig, gleich die nächste zu erwischen.
Die nächste positive.
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