Auftakt der Champions League der Frauen: Hoher Anspruch

Wolfsburg und der FC Bayern starten in die Champions League. Sie zählen sich zur Elite, auch wenn sie finanziell den Anschluss verloren haben.

Wolfsburger Spielerin betritt vor dem Anpfiff den Rasen im Camp Nou

Großer Auftritt: Wolfsburgs Jill Roord betritt die Champions-League-Bühne in Barcelona Foto: imago

Einer Nadine Keßler, sagt Ralf Kellermann, würde er nie widersprechen. Der Sportliche Leiter der Fußballerinnen beim VfL Wolfsburg hat die Aussage noch gut in Erinnerung, als die Uefa-Abteilungsleiterin auf einem vom Deutschen Fußball-Bund veranstalteten Forum meinte: „Die Deutschen gehören auch die nächsten zehn Jahre zu den Topklubs in Europa.“ Die ehemalige Weltfußballerin gestaltet in ihrer zweiten Karriere die Rahmenbedingungen des europäischen Frauenfußballs. Auch Bianca Rech, Sportchefin beim FC Bayern, hatte bei der Veranstaltung an der Frankfurter Arena damals nicht widersprochen.

Es ist der Anspruch der beiden dominierenden deutschen Vereine, die sich seit 2015 alle nationalen Titel aufgeteilt haben, die Gruppenphase der Champions League nur als Durchgangsstation zu begreifen. Bayern startet gegen den schwedischen Vertreter FC Rosengard (Mittwoch 18.45 Uhr/DAZN) und spielt dann noch gegen den FC Barcelona und Benfica Lissabon. Wolfsburg empfängt zuerst den österreichischen Klub SKN St. Pölten (Donnerstag 18.45 Uhr/DAZN), ehe AS Rom und Slavia Prag warten. „Es hätte deutlich schwieriger kommen können“, weiß Kellermann. „Der deutsche Vereinsfußball muss sich im europäischen Vergleich sportlich auf keinen Fall verstecken.“

Auf anderen Ebenen gilt das allerdings nicht. Was die Liga, die Strukturen, die Organisation und Medienpräsenz angehe, sei England „zwei Schritte“ weiter, meint Kellermann. Vor allem mit den Summen, „die da ausgeschüttet werden“. Der DFB nimmt ab Sommer 2023 pro Saison 5,17 Millionen Euro durch einen TV-Vertrag ein. In England sind die Einnahmen etwa doppelt so hoch. Kellermann hält eine „schwarze Null“ in absehbarer Zeit für deutsche Topvereine für unrealistisch.

Auch deshalb wird zur Steigerung der Aufmerksamkeit und damit der Vermarktungserlöse die internationale Bühne immer wichtiger. 24 Millionen Euro schüttet die Uefa für seine Women’s Champions League aus, 400.000 Euro Startgeld bekommt jeder der 16 Teilnehmer. Die Wesensmerkmale des vor einem Jahr erschaffenen Formats fasst Keßler so zusammen: „Zentrale Vermarktung, spezifische Sponsoren, eigene Hymne und mehr Geld.“

Neue Impulse in München

Die Kehrseite der Medaille könnte ein Phänomen sein, das der Männerfußball schon kennt, wo bekanntlich mit ganz anderen Summen hantiert wird. „Die Spitze der Bundesliga treibt nach oben, der Rest bleibt unten hängen – das ist durchaus ein Problem“, findet Rech. Die ehemalige Nationalspielerin muss in erster Linie sehen, das professionelle Set-up und die finanziellen Voraussetzungen auf dem Bayern-Campus in bessere Ergebnisse umzumünzen.

Nachdem die Münchnerinnen in der Vorsaison in allen drei Wettbewerben früh scheiterten, kam mit dem Norweger Alexander Straus ein neuer Trainer, unter dem das Team bislang deutlich stabiler wirkt. „Der neue Impuls war wichtig“, sagt Rech, „er ist empathisch und geht auf die Spielerinnen zu.“

Mit dem Heimspiel gegen Rosengard und danach dem Bundesliga-Topspiel in Wolfsburg wartet nun eine doppelte Bewährungsprobe. Wolfsburg hat fürs Gipfeltreffen (Sonntag 14 Uhr) in der großen Arena bereits 14.700 Karten verkauft. Kellermann erklärt den großen Zuspruch mit dem Verlangen, „sich 12 bis 15 deutsche Nationalspielerinnen anzugucken“. Ohnehin würden sich seine EM-Heldinnen „vor Anfragen nicht retten können“. Längst sei nicht mehr jeder Interviewwunsch erfüllbar.

Bianca Rech, Bayern-Managerin

„Die Spitze der Bundesliga treibt nach oben, der Rest bleibt unten hängen“

Um das Interesse dauerhaft hoch zu halten, wünschen sich Alexandra Popp und Co. vermehrt Auftritte in den Männer-Stadien. Doch Wolfsburg wird erst zu einem möglichen Champions-League-Viertelfinale wieder umziehen, Bayern immerhin das Gruppenspiel gegen den FC Barcelona (7. Dezember) in der Münchner Arena austragen.

Als im Frühjahr zum Viertelfinale gegen Paris St. Germain bei der überfälligen Premiere in Fröttmaning 13.000 Fans kamen, sprach FCB-Vorstandschef Oliver Kahn etwas überschwänglich von einem „Meilenstein“. Dabei ist die Benchmark eine ganz andere: Zweimal lockte Barcelona dank verbilligter Eintrittskarten und einer ganzheitlichen Verankerung in der Vereinsphilosophie in der vergangenen Saison mehr als 90.000 Menschen ins Camp Nou: erst gegen Real Madrid, dann auch gegen Wolfsburg.

Keßler war dankbar für „die Extrameile“, mit denen die großen Klubmarken das Interesse befeuern. Kellermann glaubt, dass es ab dem Viertelfinale „den einen Favoriten, so wie das früher war, nicht gibt“. Rekordsieger Lyon besitzt jedenfalls keinen Freifahrtschein mehr auf die Trophäe, auch wenn das Starensemble das Finale gegen Barcelona (4:1) zuletzt wieder eindrucksvoll gewann.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.