Auftakt der Wintersportsaison: Blockade überwunden
Mikaela Shiffrin wird beim Weltcup-Auftakt Vierte im Riesenslalom. Die Freude über ihr Comeback nach einem schrecklichen Unfall kennt kaum Grenzen.
taz | Es kommt selten vor, dass Mikaela Shiffrin Erfolge mit ganz großen Gesten feiert. Deshalb war die Reaktion am Samstag beim alpinen Weltcup-Auftakt in Sölden fast schon überschwänglich. Für ihre Verhältnisse. Sie ballte im Zielraum die rechte Hand zur Faust und reckte dann mit einem befreiten Lächeln die Arme in die Höhe. Dabei dürfte Mikaela Shiffrin gewusst haben, dass es für den Sieg nicht reichen würde, vermutlich nicht einmal für das Podest. Es kamen noch fünf Athletinnen, die im ersten Durchgang schneller waren als sie.
Aber für die beste Skirennläuferin der Welt war der vierte Platz, der es am Ende wurde, so etwas wie ein kleiner Sieg. „Ich bin glücklich und es ist aufregend, sagen zu können, dass ich nach dem vergangenen Jahr heute wieder zu den besten Riesenslalomfahrerinnen der Welt gehöre“, sprach die US-Amerikanerin am Samstag ins Eurosport-Mikrofon. Die Beste war überraschend die Österreicherin Julia Scheib, die vor Shiffrins Teamkollegin Paula Moltzan und der Schweizerin Lara Gut-Behrami gewann.
Die vergangene Saison war nicht die erste schwierige Saison für Shiffrin. Sie hat schon ein paar Mal wegen Verletzungen pausieren müssen, aber dieses Mal ging es nach der tiefen Fleischwunde im Bauch, die sich vor elf Monaten bei einem Sturz im Riesenslalom von Killington zugezogen hatte, nicht nur um die körperliche Fitness, sondern auch um die mentale Bereitschaft. Im Slalom hatte sie schnell zurück zu alter Stärke gefunden nach ihrem Comeback bei der WM. Shiffrin schaffte ihre Weltcup-Siege 100 und 101 am Ende der Saison, aber im Riesenslalom bekam sie den schlimmen Unfall nicht aus dem Kopf. Die Weltmeisterin von 2023 in dieser Disziplin fuhr in den noch verbleibenden drei Weltcup-Rennen weit hinter der Elite her.
Sie hat in den vergangenen Monaten – auch mit Blick auf die Olympischen Spiele im Februar – hart daran gearbeitet, unter anderem die mentalen Blockaden aufzulösen. Sie habe „große Fortschritte“ gemacht, sagte sie in den Tagen vor dem Auftakt im Ötztal. Aber es gebe „noch viele Unsicherheiten im Moment. Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet.“ Aus Sölden reiste sie nun mit der Gewissheit ab, ihre vorsaisonalen Aufgaben gut erledigt zu haben. „Aber es ist noch viel Raum, um mich zu verbessern“, sagt Shiffrin.
Was treibt eine Skirennläuferin an, die alles erreicht hat, was es zu erreichen gibt, sämtliche Rekorde geknackt und so viele Medaillen und Weltcup-Kugel daheim hat, dass sie vielleicht schon gar weiß, wohin damit? „Ein gute Frage“, sagt sie und beantwortet sie indirekt mit dem Zweifel, nie mehr etwas so gut zu können wie Skirennen zu fahren: „Ich weiß nicht, ob ich in vielen Dingen so erfolgreich wäre.“ Ansporn genug für Shiffrin, weiter fleißig Siege zu sammeln.
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