Aus der Bremer Kunstszene: Von Nippeln und Speichel

Die Bremer GAK setzt mit ihrer neuen Reihe „Interludium“ vermehrt auf lokale KünstlerInnen. Das Ergebnis ist bisweilen banal, manchmal aber auch wunderbar.

Kaputte Gitarre zwischen Betonbrocken

Die zerstörte Gitarre bleibt leider nur ein Nachahmen leer gewordener Rocker-Gesten. Foto: Tobias Hübel/GAK

Die GAK wird jetzt bremischer. Und das stellt durchaus auf den Kopf, was die Gesellschaft für Aktuelle Kunst sonst so tut, nämlich internationale KünstlerInnen, die hier noch keiner kennt, nach Bremen zu holen. Jetzt soll es umgekehrt sein, einmal im Jahr zumindest.

Und das ist durchaus programmatisch zu verstehen: „Die Bremer Kulturszene muss mehr Selbstbewusstsein entwickeln“, sagt GAK-Direktorin Janneke de Vries – und sieht diesbezüglich auch eine „wachsende Solidarität“ in der Stadt. Auch vor dem Hintergrund der quälenden Debatten um die Weserburg.

Die GAK nennt ihre neue Reihe „Interludium“, Zwischenspiel also. Dafür haben sie eben KünstlerInnen aus der örtlichen Szene eingeladen, sagen wir: irgendwas mit Musik zu machen. Oder jedenfalls mit Rhythmus und Klang. Und das sind natürlich solche, die diesbezüglich schon mal einschlägig aufgefallen sind.

Manches eher banal

Das ist manchmal eher banal, so wie bei Sebastian Reuschel, dem Betreiber des kleinen Bremer Musiklabels ZCKR, der 136 halbwegs unverkäufliche Schallplatten zu einer überraschend schweren Skulptur verschmolzen und in der Ausstellung verklappt hat. So findet sich vielleicht ja doch noch ein Abnehmer. Allein: Die Idee ist nicht neu, man hat das anderswo auch schon gesehen.

Das gilt auch für Jannis E. Müllers Arbeit „The Winner Takes it All“, für die er eine Akustikgitarre mit Beton verfüllt und auf den Boden der GAK geworfen hat. Eine Referenz an eine zur Ikone verkommenen Geste der Rockmusik, klar, mit der diese zugleich noch weiter ad absurdum geführt wird. Doch über die Geste des Nachahmens kommt die Arbeit nicht hinaus. Da war, schon vor ein paar Jahren, Sophia Hulténs Arbeit „Fuck it up and start again“ im Künstlerhaus am Deich weiter.

Anderes ist wunderbar verstörend

Doch es gibt auch wunderbar Verstörendes und herrlich Irritierendes zu entdecken. Zum Beispiel Irene Streses „shake yer tiz“, eine Referenz an den Song „Shake Yer Dix“ von Peaches. Aus Porzellanabgüssen ihrer eigenen Brüste hat Strese mehrere entzückend kitschige Halsketten mit goldenen Nippeln gefertigt, die man übrigens auch kaufen kann. Kommt man ihnen näher, ziehen sie sich mit leisem Klacken an die Wand zurück. Um dann, einen Moment später, sanft vor und zurück zu schwingen. Ein liebenswert ironischer, unverkrampfter und doch eindringlicher Beitrag über Sexismus im Musikbusiness.

Nicht vorbei kommt man auch an Claudia Kapps eindrücklicher Installation „Meanwhile“, einer computergenerierten Choreografie zahlloser Leuchtstoffröhren, die in der Mitte der GAK bedrohlich tief von der Decke hängen. Neben dem mit der Zeit anstrengenden, leicht hysterischen, stroboskopartigen Lichtgewitter erzeugt dieser neue Klangkörper ganz sanfte Klänge – und wirkt dadurch ebenso angenehm wie aggressiv.

Hommage an Jazz-Legende

Der wahrscheinlich bekannteste der zehn hier ausgestellten KünstlerInnen ist Christian Haake aus Bremerhaven, der bereits 2011 in der GAK mit einer Einzelausstellung zu sehen war und praktisch alle Kunstpreise bekommen hat, die in der Region Rang und Namen haben. Seine unscheinbare Arbeit „My favourite Things“ ist eine Art Hommage an eines der wichtigsten Stücke des Modern Jazz und seinen Interpreten John Coltrane.

Dieses Werk machte ihn Anfang der Sechziger berühmt, verhalf zugleich dem Sopransaxophon zum Durchbruch im Jazz und erhob nebenbei einen unbedeutenden Song aus irgendeinem Musical zum Standard. Haake inszeniert das Werk als Reliquie: In einem Glasröhrchen mit goldenem Deckel konserviert er den Speichel eines Saxophonisten. Das ist natürlich irgendwie eklig, aber auch faszinierend. Oder ist doch nur Wasser in dem Kolben? Egal!

Die neue Reihe „Interludium“ in der GAK löst das bisherige Format „Frei.Zeit“ ab, mit dem ebenfalls die Zeit zwischen zwei Ausstellungen genutzt werden sollte. Es war eine unkuratierte Plattform für selbstorganisierte Projekte der örtlichen Szene. Nur hat das Ganze nicht so funktioniert wie von de Vries erhofft. Und so nimmt die GAK die Förderung der lokalen Szene jetzt wieder selbst in die Hand.

Ausstellung bis zum 10. April

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