Aus für die "Zweite Hand": Billiger Rausschmiss

Annoncenblatt „Zweite Hand“ wird eingestellt. Mitarbeiter kämpfen um Abfindungen. Gewerkschaft sieht Vorgehen als Blaupause für Zukunft bei „Tagesspiegel“.

Adé "Zweite Hand": Die Berliner Zeitungslandschaft wird um einen Titel ärmer. Bild: dpa

Für die Zweite Hand geht es zu Ende: Der zur Tagesspiegel-Gruppe gehörende Zweite-Hand-Verlag wird zum 31. Oktober geschlossen, das bekannte Anzeigenblatt eingestellt. Von den 20 beschäftigten Mitarbeitern sollen nach Gewerkschaftsinformationen 16 entlassen werden. Für den heutigen Montag ruft Ver.di zum Streik auf, auch die Mitarbeiter der Schwester-Medien sind aufgerufen, zu kommen und sich solidarisch zu zeigen. „Wir gehen davon aus, dass das Vorgehen der Geschäftsführung die ’Blaupause‘ künftiger Änderungen beim Tagesspiegel und dem Zitty-Verlag ist“, sagte Jörg Reichel, zuständiger Ver.di-Sekretär.

Mit dem Streik will die Gewerkschaft vor allem Abfindungen für die Betroffenen erkämpfen. Diese zu zahlen weigert sich die Geschäftsführung bislang offenbar. Der Betriebsratsvorsitzende des Tagesspiegels, Wirtschaftsredakteur Alfons Frese, bestätigte der taz, dass die entlassenen Mitarbeiter stattdessen in einer Transfergesellschaft untergebracht werden sollen. Eine solche dient ausschließlich dazu, Mitarbeiter für maximal ein Jahr aufzufangen und weiterzubilden, um sie möglichst in neue Beschäftigungsverhältnisse zu vermitteln. „Ich kann die KollegInnen gut verstehen“, sagte Frese. „Sie wollen Geld, keine Transfergesellschaft.“

Für Insider kommt das Ende der Zweiten Hand nicht überraschend. Laut Ver.di wurde die wirtschaftliche Situation des Wochenblatts im Verlagshaus schon lange diskutiert. Dennoch, kritisiert die Gewerkschaft, habe es seitens der Tagesspiegel-Gruppe keine ernsthaften Bemühungen gegeben, ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln. Auch Frese sagt, man habe „über Jahre Fehler gemacht“ – zum Beispiel viel zu spät in einen „einigermaßen funktionierenden Online-Auftritt“ investiert.

Dass den Mitarbeitern nun sogar die sonst übliche Abfindung verweigert werde, ist für die Gewerkschaft ein „Schlag ins Gesicht der Beschäftigten“, wie Reichel sagte. Mit der Ankündigung, eine Transfergesellschaft gründen zu wollen, gönne sich der Holzbrinck-Konzern, zu dem die Tagesspiegel-Gruppe gehört, auf Kosten des Steuerzahlers einen billigen Rausschmiss. Denn einen Großteil der Kosten zahle dann die Arbeitsagentur, so der Gewerkschaftssekretär. Dagegen wären Abfindungen für den Konzern richtig teuer: Viele Mitarbeiter arbeiten seit mehr als 20 Jahren bei der Zweiten Hand. Entsprechend hoch wären die Abfindungen.

Unterdessen bleibt das zweite Standbein des Zweite-Hand-Verlags mit vier Mitarbeitern vorerst bestehen, die Fachzeitschrift Bootshandel. Die Geschäftsführung der Tagesspiegel-Gruppe hat offenbar nur Stunden bevor sie Ende September den Mitarbeitern das Aus für die Zweite Hand bekannt gab, den Bootshandel auf den Zitty-Verlag überschrieben. Die Gewerkschaft vermutet, dass hinter dieser eiligen Zerschlagung des Zweite-Hand-Verlags der Versuch steht, den Bootshandel später gesondert zu verkaufen.

Ohnehin befürchtet die Gewerkschaft, dass das Vorgehen bei der Zweiten Hand irgendwann auch auf die Mitarbeiter von Tagesspiegel und Zitty angewandt werden könnte. Wirtschaftlich sieht es auch dort nicht gut aus, bestätigt Tagesspiegel-Betriebsrat Frese. Und natürlich gebe es angesichts der roten Zahlen Ängste. Darauf setzt auch Ver.di: Die Mitarbeiter von Tagesspiegel und Zitty sollen sich am Streik mit einer „aktiven Mittagspause“ beteiligen: Protest vor der eigenen Tür statt Kantine. Verlag und Geschäftsführung waren am Sonntag für die taz nicht zu erreichen.

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