Ausbürgerung von Terroristen: Frankreichs Senat blockiert Reform

François Hollande plant, den Staatsbürgerschaftsentzug als Strafmaßnahme in der Verfassung zu verankern. Der Senat will dabei nicht mitspielen.

François Hollande beim Aussteigen aus einem Pkw

Der französische Senat beschert ihm eine politische Schlappe: Frankreichs Staatspräsident François Hollande Foto: dpa

PARIS taz | Staatspräsident François Hollande kann seine Notstandsgesetzgebung voraussichtlich nicht wie geplant in der Verfassung verankern. Die Zeit wird ganz einfach zu knapp für die komplizierte parlamentarische Prozedur, nachdem die Senatoren der von den Abgeordneten bereits verabschiedeten Version nicht zustimmen wollten.

Dass der traditionell konservativere Senat mit Vorliebe umstrittene Vorlagen einer Linksregierung blockiert, überrascht kaum in Frankreich. Nur geht es in diesem Fall nicht um progressive Sozialreformen, sondern um eine vom Präsidenten ausdrücklich gewünschte Verfassungsänderung, mit der die polizeilichen Sondervollmachten im Kampf gegen den Terrorismus und insbesondere eine exemplarische Bestrafung durch den Entzug der Staatsbürgerschaft im Grundgesetz verankert werden sollten.

Dass sich ausgerechnet die „alten Herren“ im Oberhaus der autoritären Rechtswende der sozialistischen Regierung von Premierminister Manuel Valls in den Weg stellen, sorgt vor allem in den Reihen der zahlreichen linken Kritiker dieser Verfassungsvorlage für herzliche Schadenfreude.

Der französische Senat wäre nicht prinzipiell dagegen, verurteilte Terroristen aus der nationalen Gemeinschaft zu verbannen. Doch eine klare Mehrheit möchte nicht, dass durch die Aberkennung der Staatszugehörigkeit für Mitbürger, die wegen Terrorismus oder anderer Verbrechen und Delikte verurteilt wurden, „Staatenlose“ geschaffen werden.

Symbolische Geste

Aus diesem Grund haben die Senatoren die Regierungsvorlage in diesem Sinne abgeändert. Mehrere Senatoren hatten im Voraus gesagt, dass eine solche Maßnahme wie der Entzug der Staatsbürgerschaft einer Demokratie wie Frankreich schlecht anstehe und ohnehin als rein symbolische Geste oder Drohung im Kampf gegen den Terrorismus so gut wie keine konkrete Wirkung haben werde.

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Damit aber eine Verfassungsrevision durch die zum Kongress vereinten Parlamentskammern (mit einer erforderlichen Mehrheit von drei Fünfteln) verabschiedet werden kann, müssten diese einem exakt gleichlautenden Text zustimmen.

Zum Thema dieser Zusatzstrafe der Aberkennung der Staatsbürgerschaft aber zeichnet sich kein Konsens ab. Dieser besonders heftig umstrittene Artikel wird darum zweifellos schlicht aus der Notstandsvorlage gestrichen, und diese kann – wenn überhaupt – nur in einer Rumpfversion in die Verfassung eingeschrieben werden.

Das ist für Hollande und seine Sozialisten nicht nur eine politische Schlappe, sondern auch eine Blamage. Der Entzug der Staatsbürgerschaft ist derzeit ausschließlich für eingebürgerte Straftäter möglich, die noch den Pass eines anderes Landes haben.

Erinnerungen an Pétain

Irgendwelche „Staatsfeinde“ oder im Extremfall einfach Gegner zu „vaterlandslosen Gesellen“ zu erklären, erinnert in Frankreich zu sehr an die Praktiken des faschistischen Kollaborationsregimes vom Marschall Pétain während des Zweiten Weltkriegs.

Die Sozialisten – und Hollande ebenfalls – hatten es in der Vergangenheit als „Idee der Rechten“ abgelehnt, so mit der Staatszugehörigkeit zu spielen und womöglich gar Staatenlose zu schaffen – was auch dank einer UNO-Konventionen von 1961 als verpönt gilt.

Hollande wollte sich im Kampf gegen den Terror keine Blöße geben, er hat mit seiner Vorlage aber in dieser Gewissensfrage seine eigene Partei gespalten. Zuletzt muss er sich nun auch noch vom Senat eine moralische Lektion erteilen lassen.

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