Ausländische Wissenschaftler: Die wollen das schaffen

Die Zahl ausländischer Wissenschaftler in Deutschland ist so hoch wie nie zuvor. Das gilt vor allem für außeruniversitäre Einrichtungen.

Angela Merkel umringt von Kindern vor einem Tisch mit Gläsern und Kolben

Deutschlands Wissenschaft wird immer internationaler. Das fängt schon in der Kita an, beim „Tag der kleinen Forscher“, wo Angela Merkel ein Kinderexperiment bestaunt Foto: dpa

BERLIN taz | Wo gelingt Integration in Deutschland? „In der Wissenschaft ist die Welt in Ordnung.“ Meint Bundeswissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU). Am Mittwoch stellte sie aktuellen Daten zur Internationalität deutscher Hochschulen vor.

Und die sind in der Tat auf den ersten Blick beeindruckend: Nie zuvor arbeiteten so viele ausländische Wissenschaftler an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen – 85.000 waren es im vergangenen Jahr. Damit liegt Deutschland auf dem dritten Platz als Gastland für international mobile Wissenschaftler – nach den USA und Großbritannien.

An deutschen Hochschulen stellen Ausländer inzwischen 11 Prozent des wissenschaftlichen Personals. Die höchsten Ausländeranteile verzeichnen die Kunst- und Musikhochschulen gefolgt von den technischen Universitäten. Die Attraktivität deutscher TUs im Ausland spiegelt sich auch in der Fächerverteilung wieder: Am häufigsten zieht es Mathematiker und Naturwissenschaftler nach Deutschland, gefolgt von Medizinern und Ingenieuren. Kurios, aber wahr: Nach der fast gänzlichen Abschaffung des „Dipl.Ing“ im Zuge der Bologna-Reform ist die Attraktivität der Ingenieursstudiengänge sogar gewachsen.

An den außeruniversitären Forschungseinrichtungen beträgt der Ausländeranteil ein Viertel. Am internationalsten sind die Max-Planck-Institute aufgestellt, hier kommt im Durchschnitt ein Drittel der Wissenschaftler aus dem Ausland. Das klingt beeindruckend, aber zum Vergleich: Das Imperial College in London, eine Elite-Universität der Naturwissenschaften, beschäftigt zu über 50 Prozent ausländische Wissenschaftler.

Wettstreit um die Klügsten und Besten

Fast zwei Drittel der ausländischen Wissenschaftler in Deutschland kommen aus Europa, ein Viertel aus Asien und elf Prozent aus Amerika. Die Zahlen belegten laut Wanka, dass die deutsche Wissenschaft international verflochten und deswegen attraktiv und leistungsfähig sei.

Um den Standort Deutschland im internationalen Wettstreit um die klügsten Köpfe zu stärken, haben Bund und Länder 2013 eine gemeinsame Internationalisierungsstrategie vorgelegt. Demnach soll bis 2020 jeder zweite deutsche Hochschulabsolvent einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt absolviert haben. Die Zahl ausländischer Studierender soll bis zum Ende des Jahrzehnts auf 350.00 steigen.

Die letzte Bench Mark scheint fast erreicht. Im vergangenen Jahr studierten rund 320.000 Ausländerinnen an deutschen Hochschulen, für dieses Jahr erwartet das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung sogar 340.000 ausländische Studierende. Dazu zählen aber auch all jene Menschen, die in Deutschland zur Schule gegangen sind, aber einen ausländischen Pass besitzen. Von den ausländischen Studierenden waren 2015 rund 85.000 sogenannte Bildungsinländer, also jeder vierte.

Berlin ist beliebt, Thüringen auch

Internationale Erstsemester finden sich in besonders hohem Maße in Berlin, wo jeder dritte Studienanfänger einen ausländischen Pass besitzt, aber auch in Sachsen und Brandenburg (über 27 Prozent). Den höchsten Zuwachs ausländischer Studienanfänger verzeichnete aber Thüringen.

Das thüringische Wissenschaftsministerium erklärt dies auf Anfrage, mit den zunehmenden Aktivitäten von Thüringer Hochschulen im Ausland. So hätten alle Hochschulen haben zum Beispiel in ihren Zielvereinbarungen das Thema Internationalisierung verankert. Von den rund 900 Studienanfängern im Sommersemester 2016 kämen viele aus Russland, Georgien oder der Ukraine. „Es handelt sich hierbei um Studierende, die für ein oder zwei Semester aus dem Ausland kommen, einen Teil ihres Studiums hier absolvieren und die Abschlussprüfung wieder im Ausland anstreben.“

Mindestens 43.000 deutsche Wissenschaftlerinnen zog es im vergangenen Jahr ins Ausland

Der Anteil der deutschen Studierenden, die für ein, zwei Semester oder für ein Praktikum ins Ausland gehen, ist gegenüber 2013 zwar erneut gestiegen und beträgt aktuell 37 Prozent, Vom 50-Prozent-Ziel ist Deutschland dennoch noch ein Stückchen entfernt. Die beliebtesten Gastländer sind unverändert Österreich, die Niederlande, Großbritannien und die Schweiz.

Mindestens 43.000 deutsche Wissenschaftlerinnen zog es im vergangenen Jahr ins Ausland, wobei die Gründe eher als Fluchtursachen zu bezeichnen sind. Befragt zu ihren Motiven, sagten 50 Prozent der Wissenschaftler, die es ins Ausland gingen nämlich, sie sähen in Deutschland keine adäquaten Karriereperspektiven. Die übergroße Mehrheit der hauptberuflich tätigen Wissenschaftlerinnen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist in Deutschland befristet angestellt. „Wir wissen aus den USA, dass viele Wissenschaftlerinnen zurückkommen wollen. Aber sie tun es nicht, weil die Stellen dort zwar schlechter dotiert aber in der Regel unbefristet sind“, erzählt Wanka freimütig.

Es stockt noch bei der Visavergabe

Ihr Ministerium finanziert in den nächsten zehn Jahren 1.000 Stellen mit Aussicht auf Daueranstellung für Nachwuchsprofessoren an deutschen Hochschulen. Ob das reicht, um das Befristungsunwesen zu beenden, bezweifeln Mittelbauinitiativen allerdings.

Auch bei der Anerkennung und Zulassung ausländischer Studierender sieht die Präsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, DAAD, Margret Wintermantel, noch deutlichen Handlungsbedarf: die Verfahren seien nach wie vor zu kompliziert und bürokratisch.

Der wissenschaftspolitische Sprecher der Grünen, Kai Gehring, mahnte ebenfalls schnellere Anerkennung und eine zügigere Visavergabe an. Deutschland profitiere intellektuell, gesellschaftlich und wirtschaftlich vom Wissenschaftler- und Studierendenaustausch. „Darum muss alles getan werden, damit unser Land attraktiv bleibt für internationale Studierende und internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.“

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