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Ausschluss Israels von Turn-WMDreistes Wegducken

Israel bleibt von der Weltmeisterschaft in Indonesien ausgeschlossen. Der internationale Turnverband trägt eine große Verantwortung dafür.

Unerwünscht bei der WM: der Israeli und Olympiasieger Artem Dolgopyat Foto: Schreyer/imago

D er internationale Turnverband präsentiert sich gern als eine integrative Kraft. So ist es belarussischen und russischen Sportlerinnen und Sportlern erlaubt, bei der am Sonntag beginnenden Weltmeisterschaft im indonesischen Jakarta anzutreten. Freilich nur unter neutraler Flagge und nach einer Überprüfung, ob sie in irgendeiner Form das russische Militär und den Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen.

Allzu streng handhabt die Fédération Internationale de Gymnastique (Fig) die Begutachtung allerdings nicht. Die russische Ausnahmeturnerin Angelina Melnikova ist dabei, obwohl sie in einem Sportklub der Armee (ZSKA) trainiert und obwohl, wie der Guardian etwa berichtete, eine Aufnahme von ihr existiert, auf der sie ein Flugblatt mit einem großen Z hochhält. Dem Symbol, das die Unterstützer des russischen Angriffskriegs verbindet.

Die erstmalige Vergabe einer Turn-WM nach Südostasien im Mai 2024 könnte auch als eine Entscheidung verstanden werden, die vereinende Kraft des Sports zu unterstreichen. Das Gegenteil ist allerdings richtig. Denn mit der Gastgeberwahl hat die Fig sich zugleich wissentlich für einen Ausschluss israelischer Sportlerinnen und Sportler entschieden.

Absehbar war nämlich, dass das Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung israelischen Athleten ganz unabhängig von den jüngsten Entwicklungen in Gaza keine Einreisevisa ausstellen würde. Indonesien unterhält keine diplomatischen Beziehungen zu Israel. Schon vor Ausbruch des Gazakrieges verweigerte im Frühling 2023 ein indonesischer Gouverneur israelischen Fußballern, die sich für die dort geplante U20-WM qualifiziert hatten, die Einreise. Die Fifa verlegte das Turnier daraufhin nach Argentinien.

Falscher Eindruck erzeugt

Auch nach Statuten der Fig, welche alle WM-Gastgeber zur Ausstellung von Einreisevisa an alle Athleten und Mitgliedsländer verpflichten, hätte die WM nun Indonesien entzogen werden müssen. Stattdessen erklärte der Weltverband vor einer Woche nur feige, man habe die Entscheidung Indonesiens, israelischen Sportlern keine Visa zu erteilen, zur Kenntnis genommen. Zudem wies man auf die Herausforderungen des Gastgeberlandes bei der Organisation der Veranstaltung hin. Dreisterweise wird der Eindruck erweckt, der Verband habe keinen Einfluss und mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun.

Sportlich ist die israelfeindliche Entscheidung der Fig für Gastgeber Indonesien ebenfalls von Bedeutung. Von der WM nun ausgeschlossen wird beispielsweise Artem Dolgopyat, der olympische Gold- und Silbermedaillengewinner im Bodenturnen. Weltmeister wurde er im Jahr 2023 am 7. Oktober. An dem Tag, als mit dem blutigen Terrorangriff der Hamas der auch von der israelischen Regierung brutal geführte Gazakrieg begann. Dolgopyat versteigerte damals seine Goldmedaille, um mit dem Geld den Angehörigen der Todesopfer der Hamas-Attacke zu unterstützen.

Zwei Eilanträge gegen diese israelische Ausgrenzung hat der Internationale Sportgerichtshof CAS diese Woche abgelehnt. In einem Fall wegen fehlender Zuständigkeit, im anderen läuft noch das Berufungsverfahren.

Beschämend bleibt in jedem Fall, dass der internationale Turnerbund größeres Verständnis für das Ausschlussbegehren des indonesischen Gastgebers zeigt als für die Probleme, denen sich die israelische Sportgemeinschaft angesichts eines weltweit wachsenden Antisemitismus ausgesetzt sieht. Die jüngste Meldung dazu kam am Freitag aus England. Fans des israelischen Fußballklubs Maccabi Tel Aviv wird der Besuch des Europa-League-Spiels am 6. November bei Aston Villa verwehrt. Aus Sicherheitsgründen, wie es von Seiten des Premier-League-Vereins heißt.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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