Ausschreitungen in Indien: Angst vor neuer Ära ethnischer Gewalt

41 Tote, etliche Verletzte – das ist die Bilanz tagelanger Ausschreitungen im nordostindischen Bundesstaat Assam. Tausende Menschen sind geflohen.

Ganze Dörfer wurden in Assam, Indien, niedergebrannt. Bild: dapd

BANGKOK taz | Nach tagelangen schweren Zusammenstößen zwischen Mitgliedern rivalisierender ethnischer Gruppen hat sich die Lage im nordostindischen Bundesstaat Assam ein wenig beruhigt. Am Donnerstag gab es Berichten zufolge keine neuen Todesfälle. Jedoch fanden Sicherheitskräfte in der Nacht davor vier weitere Leichen. Die Zahl der Todesopfer stieg damit auf 41.

Tausende Soldaten, Polizisten und Paramilitärs patrouillieren in den betroffenen Distrikten. Sie haben Anweisung erhalten, auf vermutete Unruhestifter sofort das Feuer zu eröffnen.

Die Ausschreitungen hatten begonnen, nachdem am vergangenen Freitag vier Mitglieder der Bodo-Ethnie von Unbekannten ermordet worden waren. Sofort begannen Mobs, Jagd auf muslimische bengalische Siedler zu machen, die sie für die Tat verantwortlich machten. Es folgten Vergeltungsangriffe. Seitdem wurden ganze Dörfer niedergebrannt.

Geschätzt 200.000 Menschen sind vor den Unruhen geflohen. Viele von ihnen haben Zuflucht in mehr als 120 Flüchtlingslagern gefunden, die lokale Behörden eingerichtet haben. Mehr als 10.000 Menschen sind in den benachbarten Bundesstaat Westbengalen geflohen.

Konzentrierte sich die Gewalt in der vergangenen Woche hauptsächlich auf die Distrikte Kokrajhar und Chirang, die beide an das Königreich Bhutan grenzen, weiteten sich die Ausschreitungen in den vergangenen Tagen auf zwei benachbarte Distrikte aus. Sicherheitskräfte versuchen nun auch dort, die Lage unter Kontrolle zu bekommen.

Menschen fliehen in Panik

Der Ministerpräsident des Bundesstaats Assam, Tarun Gogoi, reiste am Donnerstag nach Kokrajhar. Er sagte, die Zahl der Menschen in den Flüchtlingslagern nehme zu, da immer mehr Menschen ihre Dörfer in Panik verließen. „Ich appelliere an die Menschen, Gerüchten keinen Glauben zu schenken.“ Indiens Premier Manmohan Singh soll am Samstag in das betroffene Gebiet reisen. Er rief die Behörden auf, die Rädelsführer der Ausschreitungen festzunehmen.

Der Bahnverkehr in den Nordosten des Landes, der vor Tagen nach einem Angriff auf einen Zug gestoppt worden war, nahm am Mittwoch wieder seinen Betrieb auf. Rund 2.000 Paramilitärs sichern die Bahnstrecke.

Gewaltsame Zwischenfälle sind in Indiens Nordosten weit verbreitet. In der unwegsamen Region, die beinahe vollständig vom indischen Kernland abgetrennt ist, leben rund 200 Ethnien. In vielen Regionen kämpfen militante Gruppen für mehr Autonomie oder die Loslösung von Indien. Auch Assam ist seit Jahrzehnten ein Unruheherd. Dort waren die bewaffneten Auseinandersetzungen jedoch in den vergangenen Jahren nach Waffenstillstandsvereinbarungen und regionalen Autonomieabkommen merklich zurückgegangen. Befürchtet wird, dass nach dem Ende der derzeitigen Ausschreitungen erneut militante Gruppen in Erscheinung treten könnten, die jahrelang ihre Waffen niedergelegt hatten.

Indigene Gruppen in Assam bezeichnen die Bengalis als „Eindringlinge“ aus Bangladesch. Einige indische Medien haben in den vergangenen Tagen diese problematische Formulierung übernommen. Die Bengalis selbst sagen, sie seien zumeist Nachfahren von Bauern, die seit Zeiten der britischen Kolonialherrschaft in der Region angesiedelt sind.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.