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Außenminister Wadephul im Nahen OstenEr scheut keine offenen Worte

Bundesaußenminister Wadepuhl besucht das Westjordanland, hört von Hunger in Gaza und Siedlergewalt. Er stellt Forderungen an Israel. Ob das reicht?

Außenminister Wadephul (5.v.l.) und Suleiman Khouriyeh, Bürgermeister von Taybeh (m.) neben den Ruinen der Kirche St. George Foto: Soeren Stache/dpa

Taybeh/Ramallah taz | In Taybeh, einem palästinensisch-christlichen Dorf zehn Kilometer östlich von Ramallah, kommt ein alter Mann auf Außenminister Johann Wadephul zu, er stützt sich beim Gehen auf einen Stock. „Bitte helfen Sie unserem Dorf“, sagt er. „Deshalb bin ich hier“, antwortet der deutsche Minister. Der zweite Tag seiner Reise in den Nahen Osten ist für Wadephul ein Kontrastprogramm.

Am Donnerstag hatte er mit seinem Amtskollegen Gideon Sa'ar gesprochen und sich mit Israels Minister- und Staatspräsidenten getroffen. Wadepuhl war also mit Israels Sicht auf die katastrophale humanitäre Lage in Gaza konfrontiert. Am Freitag ist er in Ostjerusalem und im Westjordanland unterwegs.

Der CDU-Mann geht mit dem Bürgermeister und drei Geistlichen durch den kleinen Ort, in dem 1.300 Menschen leben. Begleitet werden sie dabei von einem Medientross und einigen Bürger*innen. Im Umland kann man hinter den Olivenbäumen einige jüdische Siedlungen und Outposts sehen. An den Ruinen einer alten Kirche halten die Männer an. „Die extremistischen Siedler greifen uns fast jeden Tag an. Sie haben versucht, diesen heiligen Ort anzuzünden“, sagt einer der Geistlichen jetzt zu Wadephul.

Dieser heilige Ort, das ist die im byzantinischen Stil erbaute Georgskirche, die hier als Symbol des interreligiösen Dialogs gilt. Auf dem Boden liegt schwarze Erde, verbranntes Gestrüpp und ein kleiner Metallturm, der umgestürzt ist.

Auch Felder und Olivenhaine brannten, berichten Dorfbewohner. Erst vor wenigen Tagen wurden zwei Autos angezündet, die verkohlten Karossen stehen noch an der Straße. An der Hauswand daneben in roter Farbe anti-arabische Parolen, darunter: „Wir kommen wieder.“

Wadepuhls zweiter Besuch innerhalb von drei Monaten

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat seinen Außenminister nach der Sitzung des Sicherheitskabinetts nach Israel geschickt. Es ist Wadephuls zweiter Besuch innerhalb von drei Monaten. Der Druck auf die Bundesregierung, sich wegen der katastrophalen humanitären Situation in Gaza Sanktionen gegen Israel anzuschließen, steigt.

Wadephul, der eigentlich schon mit der Familie in Italien in Urlaub war, soll noch einmal die zentralen Forderungen der Bundesregierung vortragen und die Bereitschaft zu Zugeständnissen ausloten, auch bei der Palästinensischen Autonomiebehörde, vor allem aber bei der israelischen Regierung.

Das übergeordnete Ziel dabei: eine deutliche Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen. Es geht aber auch um die Entmachtung der Hamas und Deutschlands Position zu einer „verhandelten“ Zweistaatenlösung. Von seinen Eindrücken von vor Ort soll Wadephul in Berlin dem Sicherheitskabinett an diesem Wochenende berichten.

Der Außenminister betont immer wieder, dass Deutschland an der Seite Israels stehe, benannte den Angriff der Hamas am 7. Oktober als Auslöser des Krieges in Gaza und forderte die Freilassung der Geiseln. Aber auch mit Israel geht der Minister nicht zimperlich um. In jedem seiner Statements zählt er Forderungen an die israelische Regierung auf.

Den Be­woh­ne­r*in­nen in Taybeh dürfte das gefallen. „Sie zerstören alles um uns herum, wir können hier nicht in Frieden leben“, sagt jetzt der Geistliche an der Kirche über die Siedler, die das Dorf angreifen. Dann beten die Männer gemeinsam das „Vater unser“ – die Geistlichen laut, Wadephul leise. Im ganzen Westjordanland haben die Übergriffe von Siedlern gegen Palästinenser seit Beginn des Gaza-Krieges im Oktober 2023 deutlich zugenommen. Dass ein christdemokratischer Außenminister ausgerechnet das christliche Taybeh besucht, dürfte kein Zufall sein.

„Solche Taten nehmen zu“

Kurz bevor er das Dorf verlässt, stellt Wadephul sich vor die Mikrofone und verurteilt die Gewalt von extremistischen jüdischen Siedlern scharf. In den letzten beiden Tagen scheute er ohnehin keine offenen Worte. „Das sind keine Einzelfälle. Solche Taten nehmen immer mehr zu“, sagt Wadephul. „Ich möchte hier ganz klar sagen: Solche Taten sind Verbrechen. Sie sind Terror. Und sie gehören endlich polizeilich verfolgt.“ Israel müsse Sicherheit und Ordnung durchsetzen.

„Es muss die palästinensische Bevölkerung vor diesen Gewalttätern schützen“, so Wadephul weiter. Die Bundesregierung verurteile „jede Form der Siedlergewalt“ und setze sich auf europäischer Ebene für die Sanktionierung gewalttätiger Siedler ein. Die Siedlungspolitik sei „völkerrechtswidrig“, dies habe er am Vortag auch seinen israelischen Gesprächspartnern vermittelt.Zu der Möglichkeit von Einreiseverboten für rechtsextreme Minister, die Siedlergewalt schüren und die Annexion des Westjordanlands propagieren, sagt Wadephul nichts. Die Niederlande haben gerade solche Verbote gegen Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich verhängt.

Am Freitagmorgen bereits traf sich Wadephul mit Ver­tre­te­r*in­nen der Vereinten Nationen und internationalen Hilfsorganisationen zusammen gekommen, am Nachmittag in Ramallah den Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas. Nach den Gesprächen gibt Wadephul jeweils ein kurzes, aber klares Statement ab. Bei der UN fordert er, dass Israel sicherstelle, dass die UN Hilfsgüter wieder sicher transportieren und verteilen kann.

Fünf Milliarden Euro für das World Food Program der UN

„Die humanitäre Katastrophe muss jetzt beendet werden“, sagt Wadephul. Mit dem leitungsfähigen und etablierten Hilfesystem der UN könne das gelingen. Auf Betreiben Israels hatte die umstrittene Humanitarian Foundation (GHF) die bisher zuständigen UN-Organisationen als Hauptverteiler von Hilfsgütern in Gaza abgelöst. Rund um GHF-Verteilzentren starben immer wieder Zi­vi­lis­t*in­nen durch Schüsse.

Dann kündigt Wadephul an, dass die Bundesregierung das World Food Program der UN mit zusätzlich fünf Milliarden Euro unterstützen wird, damit Bäckereien und Suppenküchen in Gaza wieder den Betrieb aufnehmen können. Auch helfe die Bundesregierung den Maltesern dabei, in Gaza-City ein dringend notwendiges Feldkrankenhaus zu errichten.

Nach dem Besuch bei Abbas betont Wadephul noch einmal, dass Deutschland zur Zweistaatenlösung steht, auch wenn es Palästina aktuell noch nicht völkerrechtlich als Staat anerkennen will. Dies zu tun, hatten zuletzt zahlreiche Länder angekündigt, darunter auch Frankreich und Kanada. Auch Großbritannien erwägt einen solchen Schritt. Die Zweistaatenlösung, so Wadephul, dürfe nicht durch völkerrechtswidrige Siedlungen verbaut werden. Auch forderte er von Israel eingezogene Steuergelder, die den Palästinensern rechtmäßig zustehen, an die Palästinenser-Behörde weiterzugeben.

Die Frage ist nun, was Wadephul nach seiner Rückkehr dem Sicherheitskabinett an diesem Samstag berichten – und empfehlen – wird. Wie sich das auf die Entscheidungen der Bundesregierung auswirken wird. Bleibt es bei Worten wie in den Monaten zuvor? Oder schließt sich Deutschland doch einer der vielen Sanktionsmöglichkeiten an, um den Druck auf Israel zu erhöhen, damit sich an der Lage in Gaza endlich etwas verändert?

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