Ausstand der Bergleute in Südafrika: „Es gibt keine Krise“

Auch nach zwei Monaten Streik in Südafrikas Minen kehrt keine Ruhe ein. In den Goldminen wurde eine Einigung erzielt, in der Platinbranche herrscht Konfrontation.

Amplats-Streikende demonstrieren in Rustenburg gegen den eigenen Gewerkschafts- Dachverband. Bild: dpa

JOHANNESBURG taz | In Südafrika wächst die Hoffnung auf ein Ende der Streikwelle in der Bergbauindustrie. Aber noch am Wochenende verbrannten Streikende in Rustenburg T-Shirts mit den Abzeichen der regierungstreuen Bergarbeitergewerkschaft NUM, und ein Marsch des an der Regierungskoalition beteiligten Gewerkschaftsdachverbandes Cosatu endete in Gewalt, als streikende Kumpels des weltgrößten Platinproduzenten Anglo American Platinum (Amplats) die Gewerkschaftler mit Steinen bewarfen. Sie versperrten den Eingang zur Cosatu-Versammlung im Stadion in Rustenberg, die Polizei trieb sie mit Tränengas und Gummigeschossen auseinander.

Dabei hatte Amplats kurz vorher verkündet, 12.000 gefeuerte Bergmänner wieder einzustellen, wenn sie freiwillig wieder zur Arbeit erscheinen – das Ultimatum läuft am heutigen Dienstag ab. Am Montag erklärte aber ein Sprecher der Streikenden, Gaddafi Mdoda, das Angebot sei abgelehnt, da es darüber keine Gespräche gegeben habe und die Bergleute davon nur per SMS von der Firmenleitung informiert worden seien.

Damit verdüstert sich die Hoffnung auf ein Ende der illegalen Streiks der vergangenen zwei Monate im Platingürtel nordwestlich von Johannesburg, deren Höhepunkt im August blutige Auseinandersetzungen zwischen Streikenden und der Polizei bei Marikana, der Platinmine der Firma Lonmin, mit insgesamt 44 Toten gewesen war. Amplats hatte zuletzt auf die Forderungen seiner Arbeiter nach mehr Lohn mit drastischen Aktionen reagiert und die Streikenden Anfang des Monats kollektiv entlassen.

100 Millionen Euro Verlust

Dann merkte Amplats, es wäre billiger, sie wieder einzustellen, als neue Arbeiter zu trainieren. Die Platinförderung von Amplats hat durch die Streiks einen Verlust von 100 Millionen Euro verzeichnet.

Die ebenfalls von illegalen Streiks betroffenen Goldhersteller haben hingegen in einem Abkommen mit NUM einen Lohnkompromiss erreicht. Ein Sprecher des weltdrittgrößten Goldförderers AngloGold erklärte am Freitag, 24.000 Arbeiter seien an die Arbeit zurückkehrt und die Streiks seien wahrscheinlich beendet. Auch bei Gold Fields konnten Streiks geschlichtet werden. Allerdings wurden im Gold-Fields-Werk KDC East 8.100 Kumpels entlassen.

Die beiden Goldunternehmen sowie Harmony Gold haben sich mit den Gewerkschaften auf Lohnerhöhungen zwischen 1,5 und 10,8 Prozent geeinigt. Das Abkommen umfasst jedoch nicht die Platinminen und die Kohleindustrie. Die Platinförderer verhandeln in der Regel direkt und individuell mit ihren Arbeitnehmern, es gibt keine kollektiven Branchenverhandlungen. So konnten die Lonmin-Streikenden nach dem Massaker in Marikana bereits eine Lohnerhöhung von 22 Prozent auf rund 1.200 Euro pro Monat erzwingen.

Präsident Zuma unter Druck

Die Streiks haben Präsident Jacob Zuma (ANC) ins Kreuzfeuer der Kritik gebracht. Schwache politische Führung wird bemängelt. Inzwischen fordert der Staatschef die Arbeiter zur Rückkehr in die Schächte auf und hat versprochen, die Infrastruktur der Bergwerkssiedlungen zu verbessern. Er fordert auch mehr soziale Verantwortung von den Unternehmen.

Im Dezember wird auf einem ANC-Parteitag über Zumas Kandidatur als ANC-Spitzenkandidat für Südafrikas nächste Wahlen 2014 entschieden – und damit faktisch über seine Zukunft und die des Landes bis 2019. Die Streikbewegung hat Zuma parteiintern geschwächt, weil sich die Kumpels über zu viel Nähe ihrer Hauptgewerkschaft NUM zu Arbeitgebern und Regierung beklagen und damit das Ausmaß der Entfremdung des ANC von seiner Basis deutlich wird.

Aber selbst mit einem Ende der Streiks wäre die tiefe soziale Krise Südafrikas, die dadurch sichtbarer geworden ist als jemals seit Ende des Apartheidregimes 1994, langfristig nicht beendet. Die soziale Ungleichheit in Südafrika ist die größte der Welt, die Ratingagentur Moody’s hat Südafrika gerade herabgestuft. Das Vertrauen nicht nur der Arbeiter, sondern auch der Investoren in die ANC-Regierung ist gesunken. Südafrikas Finanzministerium gab am Donnerstag bekannt, dass die Streiks insgesamt bereits rund eine Milliarde US-Dollar gekostet hätten.

„Es gibt keine Krise in Südafrika“, sagte Präsident Jacob Zuma gestern in Johannesburg auf einer Pressekonferenz. „Streiks gehören zur Demokratie.“ Doch er gab zu, dass seine bisherige Bergbaupolitik gescheitert sei. „Bergbau ist immer noch das Rückgrat unserer Wirtschaft“, sagte er. „Wir werden sie weiter stärken.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.