Ausstellung im Bode-Museum: Splatter im Münzkabinett
Ein gescheiterter Staatsstreich im Florenz der Renaissance wird im Berliner Bode-Museum zum Thriller. „Die Pazzi-Verschwörung“ hat wenig Raum für Hintergründe.
Die Rache der Medici reicht nicht bis zur Museumsinsel. Die angeblich für die einst von den Florentiner Stadtherren zerschlagene Familie Pazzi geschaffene Madonna des Renaissance-Künstlers Donatello ist so etwas wie die Mona Lisa des Bode-Museums. Ein flaches Relief, Maria und Jesuskind in berührender Zweisamkeit, Nase an Nase, Speckhändchen an Kehle.
Die Pazzi-Madonna hat mit den Pazzi zwar wohl wenig zu tun, sagen Kunsthistoriker*innen, nur hält sich der Name einfach seit Jahrzehnten. Vielleicht auch deshalb bleibt sie seltsam unbeteiligt, wenn ein Stockwerk höher ihren angeblichen Auftraggebern erneut der Prozess gemacht wird: Die Kabinett-Ausstellung „Die Pazzi-Verschwörung“ greift einen entscheidenden Moment der Stadtgeschichte von Florenz auf, der seine Spuren in der europäischen Politik wie in der Kunst der Renaissance hinterlassen hat.
1478 steht die Stadt nicht nur in ihrer Blüte, sondern auch bereits in dritter Generation unter dem Einfluss der Bankiersfamilie Medici. Lorenzo und sein Bruder Giuliano haben zwar keine offiziellen Rollen inne, aber dominieren alle Entscheidungen der Stadtrepublik durch Strohmänner und Protegés. Lorenzos Beiname „il Magnifico“, der Prächtige, rührt von seiner Förderungen der Künste her, Michelangelo und Sandro Botticelli erfinden mit seiner Unterstützung das, was heute als Renaissance bekannt ist.
Machtentfaltung der Medici
Die Pazzi-Verschwörung. Macht, Gewalt und Kunst im Florenz der Renaissance. Berlin, Bode-Museum, bis 20.9.2026
In Rom betrachtet Papst Sixtus IV. die Machtentfaltung der Medici und die Expansionsbestrebungen der Republik Florenz mit zunehmender Sorge. Als die konkurrierende Florentiner Bankiersfamilie Pazzi dem Papst entgegen Lorenzos Bitte Geld leiht, kommt es auch innenpolitisch zum Streit.
Bald organisieren die Pazzi einen Staatsstreich – gemeinsam mit dem Papst, dem Erzbischof von Pisa, dem König von Neapel und vielen Nachbarrepubliken wollen sie die Medici-Brüder ermorden. Mit den Feiern zur Ernennung eines 18-jährigen Florentiner Papstneffen zum Kardinal gibt es auch einen Anlass, zu dem die beiden sicher anwesend sein werden.
Am 26. April 1478 schlagen die Attentäter zu – an einem Sonntagmorgen, zur Messe im Dom. Francesco de’ Pazzi und sein Untergebener Bernardo Bandini haben den 25-jährigen Giuliano zuvor zu Hause abgeholt – nun stechen sie ihn nieder. Lorenzo, ein paar Meter weiter, ist deshalb schon gewarnt, als die Verschwörer auch ihn mit Dolchen und Schwertern bedrohen. Verletzt kann er sich in die Sakristei zurückziehen.
Staatstreich der Pazzi misslingt
Während Giuliano verblutet und Lorenzo sich versteckt, versuchen Komplizen der Mörder, die Stadtverwaltung unter ihre Kontrolle zu bringen. Doch sie scheitern – auch, weil sich wider Erwarten die Bevölkerung auf die Seite der Medici schlägt. Kaum dass Pazzi-Bruder Jacopo die neue Freiheit verkündet, wird er aus der Stadt gejagt.
Francesco de’ Pazzi und der Erzbischof von Pisa werden noch am Abend aufgeknüpft, 70 Menschen werden folgen. Zuletzt auch der mutmaßliche Mörder Giulianos: Bandini schaffte es zwar, ins Osmanische Reich zu fliehen, wird aber in Konstantinopel entdeckt. Am 29. Dezember 1479 hängt auch er von einem Florentiner Galgen. Eine Skizze Leonardo da Vincis hält den Moment bis heute fest.
Die hat es leider nicht im Original ins Bode-Museum geschafft. Dem Münzkabinett angemessen, wird die Geschichte vor allem anhand zeitgenössischer Münzen und Medaillen erzählt. Im Mittelpunkt: eine Medaille des Donatello-Schülers Bertoldo di Giovanni von 1478, die die Geschehnisse im Dom fast comichaft verewigt – jede Seite ist einem der Brüder gewidmet und zeigt die entsprechende Szenenabfolge des Attentats.
Fast rührend ist das aus der Gemäldegalerie entliehene Botticelli-Porträt Giulianos, dessen niedergeschlagener, trauriger Blick andeutet, dass das Bildnis bereits post mortem entstanden ist. Der als Gipsabguss gezeigte Unterkiefer des Medici zeigt deutlich die Schwere seiner tödlichen Verletzungen – ein Schwerthieb hat im Knochen seine Spuren hinterlassen.
Ästhetik öffentlich-rechtlicher True-Crime-Serien
Fast ein wenig sensationalistisch packen die Ausstellungsmacher in die benachbarte Vitrine einen oberitalienischen Dolch aus dem 15. Jahrhundert – nicht die Tatwaffe, aber so ungefähr. Dazu reichlich Blutspritzer, die Ästhetik öffentlich-rechtlicher True-Crime-Serien.
Bei so viel Schaulust wäre durchaus auch der Verweis auf die popkulturellen Folgen des Attentats drin gewesen: Immerhin beschäftigt sich der zweite Teil der ikonischen Videospiel-Reihe „Assassin’s Creed“ mit der Pazzi-Verschwörung, und im Thriller „Hannibal“ um den ebenfalls ikonischen Mörder Hannibal Lecter, gespielt von Anthony Hopkins, kommt gar ein Nachkomme der Pazzi vor.
So weit reicht der Blick hier nicht, selbst die konkreten politischen Folgen bleiben vage, etwa die Verwicklungen des Sultans. Stattdessen gibt es päpstliche Münzen, unter anderem vom Dreifachmörder und Bildhauer Benvenuto Cellini – vielleicht ja Stoff für einen weiteren True-Crime-Splatter aus dem Münzkabinett.
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