Ausstellung mit Mord und Totschlag: Der Tatort hinter der Fassade

Geheimnisvolle Tode, auf verrätselten Fotos in Szene gesetzt und tatsächlich mit Fäden dargestellte Verstrickungen: Der Kunstverein Wolfsburg widmet sich dem Krimi.

Tote Frau in Haute Couture, romantisiert in Szene gesetzt: Ausschnitt aus "Hashimoto Reiko wears Milk #443" (2007). Bild: Izima Kaoru, Courtesy Galerie Andreas Binder, München

WOLFSBURG taz | Ein Markenzeichen des Wolfsburger Kunstvereins ist es, sich auch mit populärkulturellen Themen und ihrem Niederschlag in der Kunst zu befassen. So hatte sich Kunstvereins-Leiter Justin Hoffmann – selbst langjähriges Mitglied der im weitesten Sinne Pop-Band Freiwillige Selbstkontrolle – schon an früheren Wirkungsstätten mit der Popmusik oder dem Comic beschäftigt.

Ausflug in den Expressionismus

Die aktuelle Gruppenausstellung in Wolfsburg nun, „Crime Art“, thematisiert mittels vierer zeitgenössischer Positionen – den Krimi. Aus dem (vor-)abendlichen Fernsehprogramm ist dieses Genre ja nicht wegzudenken, allerdings hat die fiktional-lustvolle Befassung mit dem Verbrecherischen bereits eine längere Erfolgsgeschichte hinter sich, auch in der anspruchsvolleren Literatur und eben der Kunst.

Ein Kabinett expressionistischer Druckgrafik aus den Sammlungen Bönsch sowie der Städtischen Galerie Wolfsburg belegt im kunsthistorischen Exkurs den Inspirationsquell früherer Kriminalromane, etwa von Arthur Conan Doyle oder auch Agatha Christie: Die unheilschwangere Nacht, der lüsterne Mord, der in flagranti ertappte Missetäter – sie beflügelten schon Oskar Kokoschka, Max Klinger oder Max Beckmann zu Radierungen und lithografischem Mappenwerk. Der dadaistische Schriftsteller Walter Serner wiederum griff 1923 für den Einband seines 25 Kriminalgeschichten versammelnden Buches „Der elfte Finger“ auf eine erotische Todesszene von Henri de Toulouse-Lautrec zurück.

Die Inszenierung des geheimnisvollen Todes einer schönen Frau als romantischer Topos: So könnte man die Fotos des 1954 in Kyoto geborenen Japaners Izima Kaoru beschreiben. Er lässt seine Modelle Ideen zur eigenen Vergänglichkeit und zum Sterben entwickeln, übersetzt diese dann in großformatige Bilder. Exquisite, per Nennung im Bildtitel nachgewiesene Designergarderobe, klassische Landschaftsaufnahmen und die in perfekter Schönheit Dahingeschiedene geben unter den ästhetischen Konventionen der Modefotografie dem Betrachter da quasi-kriminalistische Rätsel auf – nach der Todesursache etwa oder dem Tatmotiv.

In einer fiktiven, vielleicht aber auch seiner eigenen Biografie erzählt E. S. Mayorga, 1975 in Mexico City geboren, per Video von einer kriminellen Karriere: vom Zigarettenschmuggel mit Hilfe von doppelwandigen Lastautos und jeder Menge Kartons. Eine Pappzelle bildet dann auch die Rauminstallation des ehemaligen Meisterschülers der Kunsthochschule Braunschweig. Zwei Leuchtkästen hat er zudem seiner Schwester gewidmet, die wie zahllose Menschen in Mexiko ein ganz reales Opfer der Drogenkriege wurde.

Der in Berlin und Singapur lebende Ming Wong, Jahrgang 1971, liebt das Re-Enactment, also das vorbildgetreue Nachspielen von internationaler Filmkunst. Nach verschiedenen Fassbinder-Adaptionen hat er sich 2012 Polanskis Roman „Chinatown“ vorgenommen. Einmal mehr schlüpft Ming Wong in alle Rollen, die symbolische Chiffre des schicksalhaften Ortes erfährt eine karikierte Brechung, indem Wong den ermittelnden Detektiv nun mit Schlitzaugenbrille überdeutlich als Asiaten stilisiert.

Politik, Wirtschaft und Waffentechnik

Die Niedersächsin Fehmi Baumbach schließlich, ebenfalls 1971 geboren, stellt noch ihr Fadengespinst zu kriminellen Verstrickungen in Wirtschaft, Politik und Waffentechnik hinzu. Ein aufgeschlagenes Journal beschäftigt sich mit Lee Harvey Oswald, der als mutmaßlicher Mörder John F. Kennedys 1962 selbst erschossen wurde.

Eine Parallele zwischen „Crime Story“ und der Kunst an sich erkennt Hausherr Justin Hoffmann in der Deutungsarbeit, die beide vom Rezipienten verlangen: Der Protagonist im Krimi – und sei es in der behäbigen TV-Variante – wie auch der Künstler schauen demnach im besten Falle hinter die Oberfläche gesellschaftlicher Lebenswirklichkeit.

bis 3. Mai, Kunstverein Wolfsburg
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