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Ausstellung mit Videoarbeiten im StädelWie nah sich friedliebender Menschenaffe und Künstlerin sind

Die Bildhauerin Asta Gröting inszeniert in ihrer Ausstellung im Frankfurter Städel Museum mit ästhetischer, multimedialer Präzision ein Gipfeltreffen der Arten.

Asta Gröting: „Matthias, Helge und Asta“, 2025, Videostill Foto: Konstantin von Sichart, © VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Über Helge Schneider weiß man scheinbar schon eine Menge. In seinem medial präsenten 70. Geburtstagsjahr kann man ihn noch einmal ganz anders erleben: als ein Wesen unter mehreren im Kunstmuseum. So legt es der Titel nahe, den Asta Gröting ihrer Ausstellung im Städel Museum gegeben hat. „Ein Wolf, Primaten und eine Atemkurve“ versammelt Werke der letzten zehn Jahre, darunter sieben Videoarbeiten, eine davon mit Schneider, und eine Laserprojektion.

Damit zeigt die 1961 in Berlin geborene Bildhauerin hier Klang und Bewegtbild als ebenbürtiges Mittel zum dreidimensionalen Arbeiten. Wie Gröting auf hochspezifische Dinge und Situationen künstlerisch scharf stellen kann, damit eröffnet die Schau. Sie lässt Gegenstände durch die filmische Luft fliegen, von der Zitrone bis zur Kutsche; in einer anderen Arbeit sind ihre Hände zu sehen, die Gesichter verschiedener Menschen zu modellieren scheinen.

Alle sieben Filme komplett anzuschauen wird zeitlich herausfordernd. Fehlende Sitzgelegenheiten deuten an, dass dies hier auch gar nicht gewollt ist. Ein Museum ist kein Kinosaal, hier schaut und hört man anders. Als der Aufseher den Ton anstellt und der Hall aus den Museumsgängen dahinter verstummt, ist die Schau erst komplett. Ein Raumsound erklingt, ein durchaus cineastischer Gesamtsoundtrack aus Holzbläsern und anderen Instrumenten, der sich gar nicht richtig lokalisieren lässt.

Den Blick fangen Wolf und Hund. Vor ihnen bleiben alle stehen. Asta Gröting inszeniert im verlangsamten Bild die Annäherung zwischen domestiziertem Tier und seiner Urform. Spannungsaufbau in Slow Motion: Zähnefletschen, Anspringen, Niederknien. Der Hund beißt dem Wildtier in die Lefze, das lässt es sich gefallen. Versucht, ihm ein Fleischstück abzuluchsen. Die gemächlich fließenden Bilder gewähren Detailbeobachtungen, die der Zoobesuch meist nur mit langem Warten hervorbringt.

Der richtige Blick braucht Glück oder Geduld

Trotzdem braucht es auch hier Geduld oder Glück, um den richtigen Blick zu erhaschen. Das gilt für den Orang-Utan, den besonders friedliebenden Menschenaffen auf der Rückseite von Hund und Wolf, dem man so lange gegenübersteht, genau wie für die Bilder von sorgsam präparierten Frühstücksgetränken im Video „First Drink“ oder die Aufnahmen vom Kirschbaum zur Morgen- und zur Abenddämmerung.

Und für die ganz neue Arbeit „Matthias, Helge und Asta“. Der blaue Vorhang im Video gehört zur Gesamtlaufzeit von knapp neun Minuten. Irgendwann lichtet er sich, und Matthias Brandt taucht im Bild auf: „Bist du gescheitert?“, fragt der Schauspieler.

Musiker Schneider und Künstlerin Gröting versuchen sich an einer mimischen Antwort. Schneider atmet laut aus, zuckt mit den Schultern, schaut. Gröting lächelt milde. Wenn sie zum Sprechen ansetzen will, unterbricht sie sich sogleich. Ein, zweimal wiederholt sich die Frage, dann schaut Brandt nur noch.

Asta Gröting

„Ein Wolf, Primaten und eine Atemkurve“. Städel Museum Frankfurt am Main, bis 12. April 2026

Freundlich, gütig, neutral? Der Projektion sind keine Grenzen gesetzt. Und das Verschmitzte in Helge Schneiders Gesicht, das man bisher gut für einen Teil der lustigen Außendarstellung halten konnte, war vielleicht einfach immer schon da. Je länger man den Protagonisten ins Gesicht blickt, umso unwichtiger erscheint die Bewertung. Ein nonverbaler Zustand setzt ein.

Die bewegten Bilder, die Asta Gröting produziert hat, schweben in ruhiger Gleichzeitigkeit im dunklen Raum. Ein wohl komponiertes, konzentriertes Gipfeltreffen der Arten. Am Ende sind uns Hund, Wolf und Orang-Utan ähnlich nah oder fern wie Schauspieler, Künstlerin, Helge Schneider.

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