Ausstellung über Oskar Maria Graf: Provokateur in Lederhosen

1933 bis 1945: Das Deutsche Exilarchiv in der Deutschen Nationalbibliothek beleuchtet Oskar Maria Grafs Zeit im Exil.

Halbporträt von Oskar Maria Graf im Wald

Ausschnitt aus dem Ausstellungsplakat Foto: Deutsche Nationalbibliothek

Als 17-Jähriger verließ der Schriftsteller Oskar Maria Graf (1894–1967) das Dorf Berg im Landkreis Starnberg, wo er in der Bäckerei seines Bruder arbeitete und brutal geschlagen wurde, wenn dieser ihn beim Bücherlesen erwischte. Als mittelloser Bohemien schloss er sich in München der anarchistischen Gruppe „Tat“ um Erich Mühsam und Gustav Landauer an und besuchte auch deren Gesinnungsfreunde auf dem Monte Verità in Ascona. Im Zuge der Räterevolution 1918/19 in München wurde Graf verhaftet und kam für einige Wochen ins Gefängnis.

Unter dem Titel „Rebell, Weltbürger, Erzähler“ widmet das Deutsche Exilarchiv in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main Oskar Maria Graf (1894–1967) eine informative Ausstellung über seine Zeit im Exil von 1933 bis 1945. Die Vorgeschichte blendet sie allerdings aus, dabei macht sie die Präsentation der sechs von insgesamt zwölf Graf-Porträts des befreundeten Malers Karl Wähmann am Beginn der Ausstellung erst einsichtig.

Die Entstehung der Bilder verweist auf die anarchisch-rebellische Frühzeit des Autors. Graf und der Maler beabsichtigten im Jahr 1932, die zwölf Bilder ausgerechnet einem nationalsozialistischen Galeristen als Werke zwölf unterschiedlicher Künstler anzudrehen, was natürlich misslang.

Protest, dass die eigenen Bücher nicht verbrannt wurden

Kurz nach der Machtübergabe an die Nazis am 30. Januar 1933 verreiste Graf nach Wien und protestierte am 12. Mai 1933 in der Wiener Arbeiter-Zeitung mit einem Artikel dagegen, dass seine Bücher zwei Tage zuvor bei der großen Bücherverbrennung im Reich nicht mit verbrannt worden waren: „Verbrennt die Werke des deutschen Geistes! Er selber wird unauslöschlich sein, wie Eure Schmach!“

In einem Selbstbezichtigungsschreiben an die „Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums“ bekannte er sich zum „Landesverrat“, weil er für Emigrantenzeitungen schrieb. In Wien erfuhr er von der Durchsuchung und Plünderung seiner Münchener Wohnung und floh deshalb im Februar 1934 weiter nach Brünn. Im Jahr 1938 gelang ihm und seiner Freundin und späteren Ehefrau Mirjam Sachs (1890–1959) die Flucht auf zwei verschiedenen Schiffen aus Holland nach New York.

Graf bewunderte zwar das Leben in New York, doch blieb er seiner Herkunft treu

Hier entstand das auch von Heinrich Mann und Lion Feuchtwanger hochgeschätzte Hauptwerk Grafs, „Das Leben meiner Mutter“. Es erschien 1940 auf Englisch und erst nach dem Krieg auf Deutsch. Nach minutiösen Recherchen in seiner Familie beschrieb Graf darin das Leben und den Alltag seiner Mutter sowie „jene unbeachteten, natürlichen Dinge, […] die stille, unentwegte Arbeit, die standhafte Geduld und die friedfertige, gelassene Liebe“, wie es im Vorwort heißt.

Anerkennung fanden erst seine Nachkriegsromane

Ein Preisausschreiben, bei dem er sich mit dem Roman bewarb, verlief erfolgversprechend, wurde aber eingestellt, weil der Stifter seine Preisgeldzusage nicht einhielt. Große Anerkennung fanden erst Grafs Nachkriegsromane.

In der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt amMain läuft bis 7. September. Der Katalog kostet 15 Euro

Graf bewunderte zwar das Leben in New York, doch blieb er seiner Herkunft treu. Er gründete einen Stammtisch, an dem Bier aus importierten Krügen aus Bayern getrunken, aber auch Geld gesammelt wurde für bedürftige Emigranten. Seine Ehefrau arbeitete in der Redaktion der Zeitschrift Aufbau, die sich ebenfalls um Überlebensmöglichkeiten für Emigranten kümmerte. Von regelmäßigen Einkünften Mirjam Sachs’ lebte das Ehepaar, wodurch ihm das Elend des Exils erspart blieb.

Einem breiteren Publikum ist Graf bekannt wegen exotischer Fotos des großen und kräftigen Mannes Graf in Lederhosen mitten in New York. Die Bilder zeugen freilich nicht von Provinzialismus oder nationaler Sentimentalität, sondern eher von Grafs Unterscheidung zwischen „Nation“/„Vaterland“ einerseits, für die er nichts, und „Heimat“ andererseits, für die er wenig übrig hatte: „Vaterland gibt’s gar keins und sogar Heimat ist recht was Relatives“ – so empfand er bestimmte Gegenden in den USA so bayerisch wie Bayern.

Eklat beim Besuch in München

Die übersichtlich gestaltete Ausstellung präsentiert zahlreiche Fotos, Autografen und Dokumente des Exilanten sowie Auszüge aus Interviews in Bild und Ton aus der Nachkriegszeit. Nach dem Krieg besuchte Graf viermal die Bundesrepublik, wollte aber „auf „keinen Fall“ bleiben: „Ich könnte hier nicht atmen, wo die Mehrheit so satt und selbstzufrieden dahinlebt.“

Bei einem Besuch in München kam es 1958 zum Eklat. Zum Festakt im renovierten Residenztheater mit Prominenz in obligater Festkleidung erschien Graf in kurzen Lederhosen, Kniestrümpfen und kariertem Janker. Er freute sich über seine gelungene Provokation der feinen Einheimischen durch den rebellischen Eingeborenen aus der Fremde köstlich.

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