Ausstellung zu Kunst und Musik: Mit Baxxter ins Berghain

Kunst und Musik und was sie miteinander zu tun haben: Die Ausstellung „Hyper!“ vermeidet erfreulich viele Klischees.

Ein Mann in Lederjacke und mit blonder Gelfrisur freut sich sehr

Geheimer Held in Hamburgs Deichtorhallen: H.P. Baxxter von der Band Scooter Foto: dpa

Nicht schon wieder das Bananen-Cover. Auch wenn es sich angeboten hätte, wo doch gerade mit Laurie Anderson die Witwe von Lou Reed beinahe exakt gleichzeitig in der Nachbarschaft weilte: So wenig wie die darin handfest gewordene Zusammenarbeit von Pop-Art-Papst Andy Warhol und der Band Velvet Underground, so wenig interessant waren andere allzu bekannte Berührungspunkte, Überschneidungen und Doppelrollen von Kunst und Musik, der dazugehörigen Szenen und wiederum diese bevölkernden Typen für Max Dax. Stattdessen entschied sich der langjährige Musikjournalist – unter anderem zeitweilig Chefredakteur der durchaus unterschiedlichen Magazine Spex und Electronic Beats – für einen persönlichen Zugang für die Ausstellung „Hyper!“, die nun bis zum Sommer in Hamburg eine Reise in die Kunst und die Musik bieten will.

Kunst und Musik? Ist das nicht wie, sagen wir: Natur und Mensch; also eine logisch gar nicht ohne Weiteres tragfähige Gegenüberstellung? Ja, wenn man die Kunst weit genug fasst: Dann ist das eine Teil des anderen – und fertig. Hier nun geht’s aber einerseits um die, enger gefasst, bildende Kunst; und die Musik, das meint hier vor allem Pop in etlichen seiner Verästelungen.

Und wenn Deichtorhallen-Hausherr Dirk Luckow am Rande der Eröffnung von „Berghain meets Bayreuth“ (oder war’s umgekehrt?) spricht, dann sind das schon die Ränder dieses Spektrums: die weltweit um ihre Locations beneidete Techno-Metropole Berlin – und Wagners Grüner Hügel, auch so eine Location, die mancher vielleicht gern sein Eigen genannt hätte in den vergangenen 150 Jahren.

Bis 4. 8., Hamburg, Deichtorhallen

Max Dax' "Hyper!"-Playlist: https://open.spotify.com/playlist/24ptko5lsVNztJptSF2xyk

Pop, Kunst und Wagner? Ja, es gibt einen Raum in dieser Ausstellung, der wesentlich Christoph Schlingensief gewidmet ist, diesem irgendwann im Abarbeiten am großen teutschen Singspielonkel zu sich selbst gekommenen Enfant terrible des daran nun nicht eben armen Theaterbetriebs; in der sehr gelungenen Begleitpublikation – es hat halt seine Vorteile, einen Magazin-Hasen wie Dax an Bord zu haben – tritt mit Aino Laberenz dann doch auch noch eine Witwe (und obendrein den Nachlass ihres Mannes Verwaltende) auf.

Große Fallhöhe

Von Schlingensief (und Wagner) wär’s ein kurzer Weg, erst recht in Hamburg, zum gelegentlich etwas angestrengt provokanten Jonathan Meese – aber auch der mag Dax zu abgegriffen erschienen sein, wer weiß. Immerhin nun Teil der Ausstellung ist aber Daniel Richter, der ja die beiden hier korrespondierenden Bereiche in verschiedenen Weisen bündelt: Seine Kunst war auf Plattencovern, etwa der Goldenen Zitronen, und irgendwann investierte er die teils, heißt es, recht eindrucksvollen Erlöse auf dem „richtigen“ Kunstmarkt dann gar in die Übernahme des Hamburger Punk ff.-Labels Buback.

In Hamburg bist nun unter anderem seine Arbeit „Lonely Old Slogan“ (2006) zu sehen: die abstrahierte Rückansicht eines klassisch-kanonisch gekleideten Punks (mitsamt großem Nieten-„Fuck the Police“ auf dem in Leder gehüllten Rücken).

Durchaus klug nimmt Dax’ Ausstellung ihren Ausgang bei einer Konstellation, gegen die alle Punk-Leder-Nieten-Kombos Anfängerkram sind: „Hyper!“, das verweist auf die gern mal als Deppentechno verunglimpften Stadionbespaßer Scooter: Aus dem sloganhaften Textfundus der unlängst umbesetzten, nun ja, Band um, nun ja, Sänger H. P. Baxxter bediente sich um 2007 herum der Maler Albert Oehlen – eine größere Fallhöhe ist ja kaum vorstellbar.

Feuerwerk und Rauchspuren in Rosa-Tönen

Mitreißend: Still aus Cyprien Gaillards 3D-Installation „Nightlife“ (2015) Foto: Cyprien Gaillard/Sprüth Magers

2011 führte Dax ein Doppelinterview mit Oehlen – der auch nebenher ein Label betreibt und dann und wann als Mitglied von fluiden Bands firmiert – und Baxxter. Und das ist einer der Stränge, entlang derer er nun konzipierte, was auszustellen sei: 300 Arbeiten sind es insgesamt, 60 Künstler*innen, und nicht wenige davon haben irgendwann in ein Mikrofon gesprochen, an dessen anderem Ende, sozusagen, Dax’ Textverarbeitungsprogramm wartete.

Auch wenn das „personal“ irgendwann aus dem Ausstellungsuntertitel flog: Etwaige Leerstellen, und sei es dieses Plattencover oder jener Bluesrock-Versuch irgendwelcher besser an der Leinwand Aufgehobener, erklären sich für Dax im, eben, persönlichen Ansatz seiner Kuratel. Andererseits kommt die Ausstellung nicht ganz vorbei an den Vorlieben anderer: Wann immer er mit bildenden Künstler*innen über Musik spreche, fänden drei Bands Erwähnung, erzählte er jetzt: Kraftwerk, Joy Division und New Order.

Riesenexponate

Sind erstere immer schon nah dran gewesen an der Düsseldorfer Akademie und haben zeitweise direkt neben einem Studio des Malers Gerhard Richter geprobt, avancierten sie irgendwann, in einer recht späten Phase selbst zu Kunstwerken. Bei „Hyper!“ nun sind Arbeiten von Emil Schult zu sehen, in Dax’ Worten eine Art fünftes Bandmitglied, aber eben vor allem auch der Gestalter ihres wegweisenden Albums „Autobahn“; ganz ohne Albumcover-Kanon geht es halt doch nicht.

Wer, apropos, von den Post-Punkern Joy Division spricht und ihrem tragisch sich selbst aus dem Leben befördert habenden Sänger Ian Curtis und von deren Nachfolgern New Order, der landet bei Peter Saville, dem Verantwortlichen für die Artworks des Labels Factory Records: Dessen einziges richtiges, und auch: richtig großes Werbeplakat ist in voller Größe ausgestellt. Dass es den Absatz des beworbenen New-Order-Albums „Technique“ angekurbelt haben könnte, glaubte übrigens nicht mal Saville selbst. Noch ein Riesenexponat: Scott Kings Frottage, also Durchreibung einer nordenglischen Hausfront, mit Bleistift auf Papier – es ist das Haus, in dem Ian Curtis lebte und starb.

Eines von etlichen Highlights der Ausstellung: Rutherford Changs Plattenladen, begehbar, mit Kisten zum Drin-Blättern und zwei Plattenspielern zum Anhören – und nur einer einzigen Platte: dem „White Album“ der Beatles. Davon hat der Künstler allerdings (Stand: 28. Februar) 2.173 verschiedene Exemplare gesammelt; und wer hätte es gedacht: Sie sehen, nach Jahren des Gebrauchs, ziemlich unterschiedlich aus – und wenig weiß.

Schnell noch ein Serviceblock: Einmal mehr arbeiten die Deichtorhallen für „Hyper!“ mit der Elbphilharmonie zusammen: Im Mai wird es drei Abende im Kleinen Saal des Konzerthauses geben, kuratiert von Ausstellungsbeteiligten – und bei Eröffnung gab es sogar noch Karten.

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