Ausstellung zum Loop in Wolfsburg: In Trance versetzt

„Never Ending Stories“, zeigt den Loop in bildender Kunst, Musik, Literatur und Film – zu sehen im Kunstmuseum Wolfsburg.

Zwei Menschen halten ihre geöffneten Münder aneinander

Marina Abramović/Ulay, Breathing In, Breathing Out, 1971, 1-Kanal-Video, S/W, Ton, 10:49 min (Ausschnitt im Loop) Foto: Kunstmuseum Wolfsburg

Diese Ausstellung entführt in einen realen Albtraum. Man muss nur durch die Tür, um in eine räumliche Endlosschleife zu gelangen. Dahinter befindet sich ein fahl beleuchtetes Badezimmer. Persönliche Gegenstände fehlen völlig, Fliesen und Tapete liefern Hinweise auf ein kleinbürgerliches Milieu. Das Bad hat einen zweite Tür, durch die man das beklemmende Ambiente wieder verlassen kann, nur um mit dem Eintritt in eine von dort zugängliche Tür erneut einen Raum zu betreten, der die exakte Wiederholung des Badezimmers bietet. Und so geht es weiter. Rückkehr ausgeschlossen, weil bei den Eintrittstüren der Badezimmer innen die Türklinken fehlen. Wer nicht inzwischen wahnsinnig geworden ist, passiert insgesamt anderthalb Dutzend Badezimmer in gleicher Gestalt. Für Ängstliche gibt es immerhin Notausgänge.

Gregor Schneiders Installation „Bad“ im Kunstmuseum Wolfsburg bildet auf 500 Quadratmetern das Zentrum der Ausstellung „Never Ending Stories“. Objekte aus einem Zeitraum von Altägypten bis in die Gegenwart werden aufgeboten, dazu 70 Künstler, die den Loop nicht nur zum Thema haben, sondern ihn auch in einigen „immersiven“ Kunstarbeiten für die Besucher erlebbar machen – wie bei Gregor Schneider.

Ob in der Alltagskultur der Werbeclips oder in der Kunst, Loops sind allgegenwärtig. Der Ausstellungsparcours liefert im ersten seiner 14 Kapitel dafür eine beispielhafte Phänomenologie. Fünf verschiedene Modi ließen sich unterscheiden: der sich schließende Kreis, das Möbiusband, die beständig aufwärts führende Treppe, die identische Wiederholung von Worten und Filmsequenzen – sowie die unendliche Wiederholung, der „Droste-Effekt“. Ein Max-Beckmann-Gemälde von 1949 illustriert, was gemeint ist. Die bis ins Unendliche reichende Vervielfachung des Spiegelbilds im Spiegelbild. Beckmann hat das anhand eines Café-Interieurs dargestellt und zugleich damit eine psychologische Spannung aufgebaut zwischen dem Mann innerhalb und der Frau außerhalb des Spiegelabgrunds.

Ein Kreis mit wirrem Muster

Macht schwindlig: Bridget Rileys „Blaze 4“, 1964 Foto: Kunstmuseum Wolfsburg

Aber der Loop muss nicht immer negativ konnotiert sein. Im Grunde ist die zyklische Wiederkehr des immer Gleichen alltäglich, wenn der stetige Wechsel zwischen Tag und Nacht, Sommer und Winter den alten Ägyptern etwa stets bedroht erschien. Eine antike Schale aus dem 2. bis 5. Jahrhundert mit der Bemalung einer sich in den Schwanz beißenden Schlange auf dem Rand zeigt das älteste Symbol für die Vorstellung kosmischer Loops: den Uroboros, wie das Symbol heißt. Der „Schwanzverzehrer“ geisterte, seit er in Altägypten zuerst auftauchte, immer wieder in der Kulturgeschichte herum. Die Ausstellung widmet ihm und seinen Verwandten, der Midgardschlange und dem alchemistischen Flügeldrachen, mittels alter Büchern einigen Raum.

Ein weiteres Kapitel führt den Kreis als buddhistisches Zeichen der ewigen Wiedergeburt vor, um anschließend die moderne Kunst auf Loops und Endlosschleifen hin zu untersuchen – inklusive einiger Abstecher zu Musik, Film, Literatur und ihren Überschneidungen. So in der „Reading Machine“ von Rodney Graham, die mit einer englischen Übersetzung von Büchners Erzählung „Lenz“ arbeitet und zwei identische Textstellen zu einem Loop verbindet, wobei ein Drehgestell mit eingespannter Buchseite dem Loop eine entscheidende Dimension hinzufügt: die Bewegung.

Ein Kreis mit vielen Dämonen als Muster

Ackermann (Hersteller/Manufacturer), Dämon, Bildscheibe für Joseph Plateaus Phenakistiskop, ca. 1833 London, Sammlung Werner Nekes Foto: Kunstmuseum Wolfsburg

Technische Apparate brauchen den Loop nicht mehr nur zu bedeuten (wie der Uroboros), sondern sie implementieren seine Eigenschaften. Der aufgeschnittene Sternmotor – vielleicht eines Flugzeugpropellers – heißt dann bei Thomas Bayrle „Hochamt“ und feiert eine Technik, die uns Menschen inzwischen bis in den Himmel hinaufbefördert. Man kann Bayrles Readymade natürlich genauso als ironische Kritik an der Vergötzung der Technik lesen. Das Projekt von Museumsdirektor Ralf Beil zum Loop (wozu noch ein Katalog mit Textbuch gehört) stellt die Kunst in den Zusammenhang eines größeren kulturellen Kontexts. Der Loop durchzieht in mannigfacher Weise das menschliche Leben und Erleben, dient als Symbol und versetzt in Trance. Manches kann man in Wolfsburg davon erleben.

„Never Ending Stories“: Der Loop in Kunst, Film, Architektur, Musik, Literatur und Kulturgeschichte vom 29. Oktober 2017 bis 18. Februar 2018 im Kunstmuseum Wolfsburg.

Man kann sich aber auch fragen, wie das potenziell Unendliche von Kreisläufen in der Endlichkeit künstlerischer Mittel dargestellt wird. Durch das Symbol des Kreises natürlich und erst seit relativ kurzer Zeit durch Reproduktionsmedien und technische Kreisläufe. Die Kunst benutzt und reflektiert das alles. Und der Stand der Technik ist ja im Übrigen immer schon Ausdruck für den Stand menschlicher Verhältnisse.

Heutzutage scheint die Allgegenwart des Loops seinen Grund weniger in der Referenz auf natürliche Zyklen zu haben, als einen Leerlauf zu beschreiben. Auch hierfür hat die Kunst ein herrlich treffendes und beinahe niedliches Sinnbild gefunden. Es ist Robert Bartas Modelleisenbahn, die nicht von der Stelle kommt, weil die kreisförmige Schienentrasse unter ihren Rädern sich in gleicher Geschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung dreht: Der rasende Stillstand hat die Idee des Fortschritts abgelöst.

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