Austerreich?: Traut euch, Ösis!

Oesterreichische Nationalbank, ORF, Austropop, Austrian Airlines. Die Österreicher verstecken ihr Ö, wo sie nur können – sie sollten lernen, es zu lieben.

Also beim Skifahren sind die Österreicher (hier: Georg Streitberger) nicht so zurückhaltend. Bild: reuters

Das Ö gehört zu Österreich wie das Schnitzel, die Berge oder die über Generationen behutsam gehegte Abneigung gegen Deutsche. Das Ö definiert das Land und doch wird es immer seltener. Sprachforscher warnen gar, es könnte aussterben. Jössas.

In Wien wird das Ö ja so halb durch die Nase gesprochen. Ööhsterreich. Der Laut allein ist schon eine umfassende Beschreibung von Dialekt und Mentalität. Das Ö ist wichtig, nicht nur für unzählige Institutionen (ÖGB, ÖAMTC, ÖH), auch im alltäglichen Sprachgebrauch. Wer „im Öl ist“, hat einen über den Durst getrunken, „im Ööh“ wird das ausgesprochen. Nur „Ööö“ gerufen, gerne kombiniert mit einer auffordernden Handbewegung, kann schon mal „Halt“ heißen. Es kann aber auch eine sich nähernde verbale oder tatsächliche Gnackwatschn ankündigen. Öha. (Hoppala).

Aber in Zeiten der Kurznachrichten und der durchgehenden Kleinschreibung; Zeiten, in denen man Rechtschreibung nicht mehr lernen muss, weil das Smartphone weiß, was man meint, ist das Ö zu umständlich. Es scheint überholt. Kein Ausländer weiß so recht, wie man es ausspricht, es steht für die kratzige, harte, nur mit Mühe erlernbare deutsche Sprache. Das Ö ist das Semikolon der Buchstaben. Also verlernt man es allmählich anstatt zu dieser liebenswerten Eigenheit der Sprache zu stehen.

Gerade in Österreich ist diese Entwicklung schon besorgniserregend weit vorangeschritten. Man nehme etwa die Oesterreichische Nationalbank, die nur um die Pünktchen zu umgehen ein weiteres E in Kauf nimmt. Der Globalisierung wegen. Pah. Oder den ORF. Den Österreichische Rundfunk. Heißt es denn Osterreich – nein. Wo ist also das Ö? Sogar auf den Autokennzeichen steht A wo Ö stehen sollte. Und das Land heißt AUT, wo es ÖST heißen sollte, weshalb Österreicher im Urlaub ständig über Kängurus sprechen müssen.

In der Luft heißt Österreich Austrian Airlines (oder AUA), im Internet .at. Aber vom Internet war auch nichts anderes zu erwarten. Es ist der größte Feind des Ö. Da müssen selbst die ewig regierenden Parteien SPÖ und ÖVP auf ihr Ö verzichten. OE oder stirb. Da hilft selbst die Freunderlwirtschaft nicht weiter. Und keiner sagt was. Was würden die Franzosen tun, würde man versuchen ihnen ihr Tréma, die zwei Punkte, auf dem e wegzunehmen? Aber in Österreich macht keiner einen Bahö für das Ö.

Was ist denn bitte Austro?

Und der kulturelle Verlust erst. Was wäre Ödön von Horvath ohne das Ö? Oder der Austropop. „Jö, schau“ heißt das berühmte Lied von Georg Danzer, in dem er über den Nackerten im Café Hawelka singt. „Jö schau, so a Sau“. Zwischen Jö und Jo liegen Welten.

Die Bezeichnung Austropop ist bezeichnend für den nachlässigen Umgang mit dem Ö. Was ist denn bitte Austro? Es heißt ja auch nicht Germanische Welle. Gut, Österreich-Pop klingt vielleicht einen Hauch zu nationalistisch, da muss man ja ein bisserl vorsichtig sein. Aber alles ist nur noch Austro oder Austria. Man will um jeden Preis international sein. Ein Verzicht auf das Ö der globalen Vermarktung halber, was bei österreichischer Musik so überflüssig ist wie ein Kropf, weil die Texte jenseits der Landesgrenze sowieso niemand versteht.

Sogar Falco hat dem Ö den Rücken zugewandt um international zu wirken. Hans Hölzel entledigte sich des Ös nicht nur durch den umlautfreien Künstlernamen, er ging noch viel weiter: 1984 veröffentlichte er ein Album, das tatsächlich „Junge Roemer“ hieß. Das Ö hat er verbannt, einfach so, als hätte man sich nie gekannt. Und auch wenn man die beiden Künstler eigentlich nicht in einem Atemzug erwähnen darf, muss an an dieser Stelle DJ Ötzi gelobt sein, wenigstens einer, der zum Ö steht.

Das Ö muss gerettet werden, nur kümmert sich keiner darum. Notfalls muss man sich wohl oder übel an die FPÖ und das BZÖ wenden. Sie wissen schon, die mit dem Jörg. Die üblichen Verdächtigen eben, wenn es um den Erhalt landestypischer Eigenheiten geht, die sich gegen den Rest der Welt richten. Aber von denen will vermutlich nicht mal das Ö gerettet werden.

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