Austritt: Donnergrollen im Gängeviertel

Nach Streit um die Sanierung kündigen VertreterInnen des Gängeviertels die Zusammenarbeit mit den Behörden auf und fordern eine „neu gedachte Kooperation“.

Sanierungsfall Gängeviertel: AktivistInnen werfen den Behörden mangelnde Transparenz vor. Bild: dpa

HAMBURG taz | Es hat geknallt. „VertreterInnen des Gängeviertels“ haben sich mit den zuständigen Behörden und dem Bezirk Mitte jetzt „darauf geeinigt, die Planungen zur weiteren Sanierung des Gängeviertels vorerst zu stoppen“, erklärt die Sprecherin der Gängeviertel-AktivistInnen Christine Ebeling. Sie wirft den Behörden und der Sanierungsträgerin Steg vor, durch mangelnde Transparenz die Ziele der zwischen allen Beteiligten geschlossenen Kooperationsvereinbarung und das angestrebte Genossenschaftsmodell unterlaufen zu haben.

Vor allem ein zwischen der Steg und der Investitions- und Förderbank (IFB) ausgehandelter Modernisierungsvertrag, der ohne Wissen der Gängeviertel-Genossenschaft im vorigen November geschlossen wurde, würde „ein positives Verhandlungsergebnis ausschließen“. Durch den Vertrag, dessen Inhalt erst vor wenigen Tagen bekannt wurde, sei eine enge Anbindung zukünftiger Mieter an die Genossenschaft ausgehebelt worden.

Im Klartext bedeutet das: Wird die Sanierung öffentlich gefördert, darf es für bezugsberechtigte Mieter keine Zusatz-Hürden, wie das Zeichnen von Genossenschaftsanteilen, geben. „Die Spielregeln sind so und wir brauchen Fördermittel, um dieses riesige Sanierungsprojekt finanziell zu stemmen und die Mieten später kleinzuhalten“, verteidigt Bezirksamtschef Andy Grote (SPD) den geschlossenen Vertrag. Die scharfen Töne der Initiative hält er „für nicht hilfreich“. Bei „allen Differenzen im Einzelnen“ sei man „gemeinsam auf einem guten Weg gewesen“, so Grote: „Es gab keinen Eklat.“

Doch die Unstimmigkeiten reichten aus, dass Ebeling und zwei weitere Vertreter des Gängeviertels am Montagabend aus dem Vorstand des Sanierungsbeirats, der die Planungen als Beteiligungsgremium begleitet, zurücktraten. Empfehlungen des Beirats, etwa eine Runde der zuständigen Behörden auf Leitungsebene einzuberufen, sei der federführende Bezirk Mitte nicht gefolgt. „Der gemeinsame Rücktritt ist eine Absage an die Art und Weise des bisherigen Kooperationsprozesses“, begründet Ebeling den kollektiven Rückzug.

Der Rückkauf der letzten Reste der historischen Hamburger Gängeviertel von dem niederländischen Investor Hanzevast Capital durch die Stadt führte 2009 zu bundesweiter Beachtung.

Vorausgegangen war die Bestzung des abrissgeweihten Komplexes durch die Initiative "Komm in die Gänge".

Die im Herbst 2013 eingeleitete Sanierung des Viertels soll acht Jahre dauern und 20 Millionen Euro kosten.

Geplant ist die Errichtung von 80 preisgünstigen Wohnungen, Künstlerateliers und Gewerberäumen.

Eine von lokalen Künstlern gegründete Genossenschaft soll die Häuser nach der Sanierung verwalten.

Gleichzeitig bedeutet das für die Initiative „nicht das Ende der Kooperation“ mit den Behörden. Diese müsse nur „neu gedacht und gestaltet“ werden. So wollen sich die AktivistInnen nun vorrangig auf die Arbeit in drei neu eingerichteten Arbeitsgruppen konzentrieren, in denen unter Einschluss aller Beteiligten Kernfragen des Sanierungsprozesses und der angestrebten Selbstverwaltung geklärt werden sollen. Dieser neue Weg müsse „die Planungen nicht einmal verzögern“, sagt Ebeling. Vielleicht werden sie ja sogar abgekürzt, wenn das Donnergrollen aus dem Gängeviertel das nahe Rathaus erreicht, in dem derzeit die rot-grüne Koalition geschmiedet wird.

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