Avi Primor über den Nahost-Konflikt: „Israel schafft täglich neue Tatsachen“

Verhandlungen zwischen Israel und Palästina kommen nur, wenn die USA sich einmischen. Andernfalls drohe eine dritte Intifada, sagt der Ex-Botschafter.

Die Situation bleibt explosiv im Nahen Osten: Schwer bewaffneter Hamas-Kämpfer. Bild: reuters

taz: Herr Primor, bei der Anerkennung Palästinas als Staat durch die UNO hat sich die Bundesrepublik enthalten. Glauben Sie, dass die bislang unantastbare Solidarität Berlins mit Jerusalem zu bröckeln beginnt?

Avi Primor: Die Unterstützung Deutschlands, auf jeden Fall der Bundesregierung, ist ganz solide. Womit sich die Deutschen schwertun, ist, Israels Politik gegenüber den Palästinensern bedingungslos zu unterstützen. In der Frage des Siedlungsbaus bestehen erhebliche und permanente Meinungsunterschiede.

Aus Europa weht für Israel ein kälterer Wind. Hat das Folgen für die Nahostpolitik des Weißen Hauses?

US-Außenministerin Hillary Clinton war vor zwei Wochen hier, um eine Waffenruhe in Gaza voranzutreiben, aber gleichzeitig fuhr sie auch nach Ramallah, um mit Abbas zu sprechen. Sie hat starken Druck auf Israel gemacht, um Abbas zu stärken, trotzdem haben die Amerikaner selbst bei dem UN-Votum gegen die Palästinenser gestimmt.

Die Ankündigung vom Bau neuer Siedlungen ist eine Ohrfeige für das Weiße Haus. Wie weit kann Netanjahu gehen?

Sehr weit, denn er genießt breite Unterstützung in der amerikanischen Bevölkerung. In Europa passiert genau das Gegenteil. Dort hat man kein Verständnis mehr für die israelische Siedlungs- und Besatzungspolitik.

Der 77-Jährige war von 1993 bis 1999 israelischer Botschafter in Berlin. Heute ist er Vizepräsident der Universität seiner Geburtsstadt Tel Aviv.

In Israel zeichnet sich mit den Wahlen ein weiterer Rechtsruck ab. Rechnen Sie mit internationalen Sanktionen?

Die EU-Staaten werden nicht ernsthaft auf Konfrontationskurs mit Israel gehen. Sie haben längst auf eine europäische Initiative im Nahen Osten verzichtet, denn es gibt weder eine gemeinsame Außenpolitik noch einen geeigneten Hebel zur Umsetzung. Wenn aber die USA die Initiative ergreifen, dann wird Europa die USA notfalls auch mit Sanktionen unterstützen.

Glauben Sie, dass es eine dritte Intifada geben könnte?

Weder die israelische noch die palästinensische Regierung sind einem echten Friedensprozess gewachsen, deshalb wird es erst Verhandlungen geben, wenn sich die USA einmischen. Wenn das nicht passiert, und es ist leider nicht auszuschließen, dass die USA wieder nichts tun werden, dann wird es irgendwann explodieren. Israel schafft täglich neue Tatsachen im Westjordanland, gleichzeitig demonstriert die Hamas, was sich mit Gewalt alles erreichen lässt. Früher oder später wird das die Menschen im Westjordanland dazu bringen, sich erneut auf Abenteuer einzulassen.

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