BDS und Antisemitismus: „Jüdische Stimme“ verliert Konto

Die Bank für Sozialwirtschaft hat der „Jüdischen Stimme“ erneut das Konto gekündigt. Der Grund: Die „JS“ will sich nicht von BDS distanzieren.

Ein Mann protestiert mit einem Schild auf dem "Shame on the face of Germany" steht

Wo beginnt Antisemitismus? Protest von BDS-Unterstützern gegen die Bundestagsentscheidung Foto: ap

Die Bank für Sozialwirtschaft kündigt der Berliner Organisation „Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ (JS) das Konto. Damit endet eine lange Auseinandersetzung zwischen der Bank, die von Wohlfahrtverbänden getragen wird und bei der viele NGOs Kunde sind, und der JS, die vor allem aus in Berlin lebenden Juden aus Israel und den USA besteht.

Die Bank, unter Druck gesetzt vom „Zentralrat der Juden“ und der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, hatte von der Jüdischen Stimme eine öffentliche Distanzierung von BDS gefordert, einer internationale Bewegung, die zu Sanktionen und Boykott gegen Israel aufruft, um die Besatzung zu beenden. Eine externe Mediation mit beiden Parteien blieb ohne Annäherung.

Die Bank greift zum zweiten Mal zu diesem Mittel. Schon 2016 kündigte man der JS das Konto, revidierte diese Entscheidung allerdings, nachdem es scharfe öffentliche Kritik gegeben hatte. Dies sei das erste Mal seit der NS-Zeit, dass eine deutsche Bank Juden ein Konto verweigere, hieß es damals.

Die Bank eröffnete 2018 das Konto wieder. Sie sei nach Gesprächen mit JS zu der Überzeugung gekommen, die zionismuskritische JS strebe das Ende der Besatzung an und stelle nicht das Existenzrecht Israels in Frage stelle.

„Lose-lose-Situation“

Das wiederum mobilisierte die Gegner von JS. Die Bank war von der komplizierten Debatte sichtlich überfordert. „Wir befinden uns in dieser Angelegenheit in einer Art Lose-lose-Situation: Sowohl die Kündigung des Kontos der als auch die Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung haben jeweils neue Antisemitismus-Vorwürfe ausgelöst“, schrieb sie 2018.

Sie griff zu einem scheinbar günstigen Ausweg und gab ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag, das klären sollte, ob die Jüdische Stimme nun als offiziell antisemitisch zu gelten habe oder nicht.

Laut Satzung tritt die JS „für eine gerechte Friedenslösung zwischen Israel und Palästina ein“

Dies erwies sich erst recht als Brandbeschleuniger. Die Jüdische Stimme zeigte wenig Neigung, sich einem von Deutschen durchgeführten Antisemitismus-TÜV zu unterziehen. JS-Sprecherin Iris Hefets erklärte Anfang 2019 in der taz, man denke nicht daran, sich zu „zu persönlichen Verhören zitieren zu lassen“. Das Gutachten wurde abgeblasen.

In der Mediation forderte die Bank intern eine Entschuldigung für das Wort „Verhör“. Laut Sprecherin Hefets war die JS dazu nicht bereit. Es sei ja, sagte sie der taz, „keineswegs um einen freien Meinungsaustausch gegangen, sondern um eine Überprüfung zur Urteilsbildung mit strafrechtlichen Konsequenzen.“

Der zentrale Dissens ist indes das Verhältnis zu BDS. In einem internen Statement der Bank vom 31. Mai heißt es: Die Bank sei „Plattform für einen innerjüdischen Konflikt“ geworden und wolle „eine klare Abgrenzung der „Jüdischen Stimme“ von der BDS-Kampagne“. Vier Organisationen, die Konten bei der Bank für Sozialwirtschaft haben, haben sich inzwischen der Bank gegenüber von BDS distanziert.

JS war indes nur dazu bereit, das Verhältnis zu BDS darzulegen. „Wir können nicht BDS sein, weil wir nicht die BDS-Bewegung sind. Aber BDS ist Teil unserer Arbeit“, so Hefets. Laut Satzung tritt die JS „für eine gerechte Friedenslösung zwischen Israel und Palästina ein“. Im Grundsatzdokument der JS von 2007 wird BDS positiv bewertet und „ökonomischer Druck auf Israel“ als Mittel gewürdigt, um friedlich gegen die Diskriminierung der Palästinenser zu kämpfen.

Der Bundestag hat am 17. Mai BDS für antisemitisch erklärt. Die Bank hat schon zuvor entschieden, das Konto zu kündigen, falls JS sich nicht „klar von BDS distanziert“. Die Befürchtung: Ansonsten werde die Reputation der Bank „zunehmend geschädigt“, so die Einschätzung der Bank vom 31. Mai. Hefets kommentierte gegenüber der taz: „Wenn ich heterosexuell bin und Homosexuelle verfolgt werden, werde ich auch nicht öffentlich erklären: Ich bin nicht homosexuell.“

JS-Sprecherin Hefets nannte die erneute Kontokündigung, die „politische Gründe“, habe, gegenüber der taz eine „politische Zensur“. Die Bank war am Donnerstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Die offizielle Kündigung des Kontos soll diese Woche erfolgen. Die JS behält sich juristische Schritte gegen die Kündigung vor.

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