BGH-Urteil zum Sampling von Musik: MCs müssen fragen

Geklaute Beats gelten nicht als Zitat. Das entschied der Bundesgerichtshof im Streit zwischen Kraftwerk und dem Hiphopper Moses Pelham.

Der Erste Zivilsenat beim Bundesgerichtshof (BGH), Jörn Feddersen (l-r), Christian Löffler, Thomas Koch (Vorsitz), Martina Schwonke und Bernd Odörfer, verkündet das Urteil zu einer Klage gegen den Komponisten und Produzenten Moses Pelham

Vom Style her eher Gospel – die RichterInnen des BGH am Donnerstag Foto: Uli Deck/dpa

KARLSRUHE taz | Wenn Hiphopper erkennbare Soundschnipsel von anderen Musikstücken benutzen, ohne sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen, müssen sie sich künftig Lizenzen besorgen. Das entschied jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) in einem rund 20 Jahre währenden Rechtsstreit.

Der Hiphop-Produzent Moses Pelham hatte 1997 – ohne um Erlaubnis zu fragen – ein kurzes Sample aus dem Kraftwerk-Stück „Metall auf Metall“ benutzt. Es war dann als durchlaufender Beat auf dem Stück „Nur mir“ der Rapperin Sabrina Setlur zu hören.

Die beiden Kraftwerk-Gründer Ralf Hütter und Florian Schneider verklagten Pelham daraufhin auf Unterlassung und Schadensersatz. Sie beriefen sich unter anderem auf ihr Leistungsschutzrecht als Musiker und Produzenten. Nachdem Kraftwerk zunächst mit der Klage Erfolg hatte, erhob Pelham Verfassungsbeschwerde und berief sich auf die Kunstfreiheit.

Das Bundesverfassungsgericht entschied 2016 zugunsten von Pelham: „Der Einsatz von Samples ist ein stilprägendes Element des HipHop“, stellten die Verfassungsrichter damals fest. Der Zugriff auf das Originaldokument diene der „ästhetischen Reformulierung des kollektiven Gedächtnisses kultureller Gemeinschaften“.

Ein ewiges Hin und Her

Dies galt als großer juristischer Erfolg des HipHop. Übersehen wurde jedoch, dass das Karlsruher Urteil nur die Rechtslage bis 2002 betraf. Ab 2002 aber galt die EU-Urheber-Richtlinie, und damit musste der Konflikt anhand von EU-Grundrechten bewertet werden.

Der BGH legte deshalb den Fall 2017 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vor, der dann neue Vorgaben für die Zeit ab 2002 machte. Danach können Hiphopper fremde Soundschnipsel nur dann ungefragt nutzen, wenn die Schnipsel „nicht wiedererkennbar“ sind. Bei markanten Sounds und Beats muss dagegen in der Regel gefragt werden – außer es handelt sich um ein Zitat oder eine Parodie, so der EuGH.

Diese EuGH-Vorgaben von 2019 musste der BGH jetzt auf den „Metall auf Metall“-Streit anwenden. Dabei ging der BGH davon aus, dass der Kraftwerk-Beat durch Pelham so markant eingesetzt wurde, dass er wiedererkennbar war. Der BGH berief sich dabei auf entsprechende Feststellungen der Vorinstanz, des Oberlandesgerichts Hamburg.

In der mündlichen BGH-Verhandlung im Januar war vor allem um die Frage gestritten worden, ob Pelham das Kraftwerk-Stück zitiert hat. Pelham-Anwalt Jochen Höger argumentierte: „Gesang und Gitarre haben sich mit der Rhythmus-Sequenz künstlerisch auseinandergesetzt“. Kraftwerk-Anwalt Peter Wassermann fand das jedoch „an den Haaren herbeigezogen“. Da Produzent Pelham ursprünglich sogar bestritt, dass er überhaupt einen Kraftwerk-Beat benutzt hatte, könne er jetzt nicht behaupten, es sei ihm um eine Interaktion mit gerade diesem Rhythmus gegangen.

Eigentlich ein Unentschieden

Der BGH entschied diese Frage nun zugunsten von Kraftwerk. „Hier liegt kein Zitat vor“, erklärte der Vorsitzende BGH-Richter Thomas Koch, „denn die Hörer können schon gar nicht erkennen, dass die Rhythmussequenz einem fremden Werk entnommen wurde.“

Der BGH musste den Streit allerdings noch einmal an das Oberlandesgericht Hamburg zurückverweisen. Die Vorinstanz muss noch klären, ob die Setlur-CD nach 2002 überhaupt noch hergestellt wurde.

Tatsächlich dürfte Produzent Pelham die meisten Umsätze mit dieser CD vor 2002 gemacht haben. Und für die Zeit unter der alten Rechtslage, das deutete der BGH an, dürfte Pelham gewinnen.

Insofern könnte man von einem Unentschieden sprechen. Kraftwerk hat bei der Bestimmung der aktuellen Rechtslage mehr Punkte gemacht. Moses Pelham muss aber von seinen Gewinnen bis 2002 vermutlich nichts an Kraftwerk abgeben.

In der Musikwirtschaft hat sich trotz des Karlsruher Urteils von 2016 ohnehin die Praxis durchgesetzt, dass vor der Verwendung fremder Sound-Schnipsel entsprechende Lizenzen eingeholt und bezahlt werden.

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