BGH erlaubt Gentests an Embryonen: Selektion ist zulässig

Künstlich erzeugte Embryonen müssen nicht eingepflanzt werden, wenn sie Gendefekte aufweisen. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden - und die sogenannte Präimplantationsdiagnostik erlaubt.

Direkt danach darf künftig auf Gendefekte getestet werden: künstliche Befruchtung einer menschlichen Eizelle im Labor. Bild: dpa

LEIPZIG taz | Künstlich gezeugte Embryonen dürfen auf Erbkrankheiten untersucht werden, bevor sie in die Gebärmutter eingepflanzt werden. Dies hat am Dienstag der Bundesgerichtshof entschieden. Der Berliner Arzt Matthias B., der eine Kinderwunschklinik betreibt, wurde freigesprochen.

In der Klinik von B. werden jährlich hunderte von Kindern künstlich gezeugt. Zumindest bei drei Ehepaaren hat er 2005 und 2006 die im Reagenzglas entstandenen Embryonen auf Gendefekte untersucht, bevor er sie der jeweiligen Mutter einpflanzte. Die Paare hatten zuvor bereits Fehlgeburten erlitten oder schwer behinderte Kinder bekommen. Bei insgesamt vier der acht untersuchten Embryonen stellt B. gravierende genetische Auffälligkeiten fest. Die Eltern entschieden sich dann gegen eine Einpflanzung und der Mediz - Embryonen absterben.

Bekannt wurde dies aber nur, weil B. sich anschließend selbst anzeigte, um einen Musterprozess auszulösen. Bisher galt die so genannte Präimplantationsdiagnostik (PID) in Deutschland als verboten. B. wurde zunächst zwar vom Landgericht Berlin freigesprochen, doch die Berliner Staatsanwaltschaft ging in Revision. B. habe gegen das Embryonenschutzgesetz von 1990 verstoßen. Die nicht eingepflanzten Embryonen seien mißbräuchlich verwendet wurden.

Doch der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshof bestätigte nun in einem Grundsatzurteil den Freispruch. Die Richter folgten dabei den Anträgen von Verteidigung und Bundesanwaltschaft. PID-Untersuchungen an künstlich gezeugten Embryonen sind nach Ansicht der Richter immer dann erlaubt, wenn das Risiko "schwerer genetischer Schäden" besteht. Die PID-Technik dürfe allerdings nicht benutzt werden, "um die Geburt eines Wunschkindes herbeizuführen", sagte der Vorsitzende Richter Clemens Basdorf. Ausgeschlossen ist damit etwa die Auswahl von Augenfarbe oder Geschlecht des Kindes.

Die Richter begründeten ihr Urteil damit, dass auch bei der PID die Erfüllung des Kinderwunsches im Mittelpunkt stehe. Das Embryonenschutzgesetz wolle dagegen die Embryonenzüchtung für Forschungszwecke verhindern. Als der Bundestag das Gesetz 1990 geschaffen wurde, war ihm die PID-Technik noch gar nicht bekannt.

Das Embryonenschutzgesetz sei auch nicht grundsätzlich gegen Maßnahmen zur Vermeidung von genetischen Risiken, erklärten die Richter. So ist eine Geschlechtswahl bei der Samenzelle ausdrücklich zugelassen, um schwere Erbkrankheiten zu vermeiden. Auch bei einem eingenisteten Embryo ist die vorgeburtliche Diagnostik möglich und wird bei Risikoeltern sogar empfohlen. Wenn sich dabei Hinweise auf eine schwere Behinderung oder mögliche Totgeburt des Kindes ergeben, kann es bis zur 12. Woche ohne Begründung abgetrieben werden und später zur Vermeidung einer schweren psychischen Belastung der Eltern.

In Deutschland werden jährlich etwa 7500 Kinder mit Hilfe der Reproduktionsmedizin gezeugt. Doch nur in etwa 50 bis 100 Fällen liegen eindeutige Hinweise auf schwere genetische Risiken vor. Nur in diesen Fällen dürfte die PID nunmehr straflos sein. Richter Basdorf wies darauf hin, dass der Bundestag, wenn er mit dem Urteil nicht einverstanden sei, die PID auch ausdrücklich verbieten könne.

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