BGH stellt Missbrauch fest: Wahlfreiheit für Facebook-Nutzer

Der BGH fordert von Facebook, dass Kunden wählen können, wie viel Datenauswertung sie zulassen – und stellt einen Missbrauch von Marktmacht fest.

Frau im weißen Shirt vor blauem Hintergrund schaut in ihr Handy

KundInnen sollen entscheiden können, wieviele Daten Facebook auswerten kann Foto: Niall Carson/dpa

KARLSRUHE taz | Facebook muss seine Nutzer bald um Erlaubnis fragen, wenn es deren Surfverhalten im Internet umfassend auswerten will. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) an diesem Dienstag in einem Eilverfahren. Facebook habe bisher seine marktbeherrschende Stellung missbraucht.

In Deutschland nutzen 32 Millionen Menschen Facebook, davon 23 Millionen sogar täglich. Wer sich bei Facebook registriert, stimmt damit einer umfassenden Auswertung seiner Daten zu. Facebook wertet alles aus, was die Nutzer auf Facebook schreiben und ansehen, aber auch vieles jenseits von Facebook („off-Facebook“). Konkret geht es etwa um Daten, die bei der Nutzung der Facebook-Töchter Whatsapp und Instagramm anfallen, aber auch um Daten, die auf Webseiten entstehen, die zum Beispiel Facebook-Tools wie den „Gefällt-mir“-Button einsetzen. Facebook will dabei die Interessen der Nutzer feststellen, um ihnen ein „personalisiertes Erlebnis“ zu bieten, aber auch, um zielgerichtet Werbung zu schalten.

Das Bundeskartellamt hat im Februar 2019 angeordnet, dass Facebook binnen eines Jahres seine Nutzungsbedingungen ändern muss. Die automatische Auswertung aller für Facebook greifbaren Daten gehe zu weit. Hier missbrauche Facebook seine „marktbeherrschende Stellung“. Künftig soll für die Nutzung der Off-Facebook-Daten eine gesonderte Einwilligung nötig sein. Das Kartellamt berief sich dabei auf die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Gegen diese Anordnung klagte Facebook und erzielte im August 2019 zunächst einen Erfolg. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf stellte im Eilverfahren die aufschiebende Wirkung der Klage her, weil die Anordnung des Kartellamts vermutlich rechtswidrig sei. Nach Ansicht des OLG stimmten die Nutzer den Facebook-Bedingungen nicht deshalb zu, weil Facebook eine marktbeherrschende Stellung hat, sondern weil die Nutzer zu „gleichgültig“ seien, um zu widersprechen. Für reine Datenschutzfragen sei das Kartellamt gar nicht zuständig.

Daten machen Facebook besser, bringen mehr Kunden und weniger Wettbewerb

Der BGH folgte nun aber dem Kartellamt und hob die Düsseldorfer Entscheidung auf. Es komme zwar nicht auf die Verletzung der DSGVO an, aber Facebook habe aus anderen Gründen seine Marktmacht missbraucht, so Peter Meier-Beck, der Vorsitzende des BGH-Kartell-Senats.

Facebook habe es unterlassen, so der Richter, seinen Kunden ein Wahlrecht einzuräumen. Die Nutzer müssten zwischen einem besonders personalisierten und einem weniger personalisierten Facebook-“Erlebnis“ wählen können. Beim personalisierten Facebook-Modus dürfe die Plattform auch die off-Facebook-Daten unbeschränkt auswerten, erläuterte Meier-Beck. Beim beschränkten Modus dürfe Facebook nur die Daten auswerten, die die Nutzer direkt auf der Plattform hinterlassen.

Dieses Wahlrecht sichere nicht nur die informationelle Selbstbestimmung der Nutzer, so der BGH, sondern schütze auch den Wettbewerb, der bei sozialen Netzwerken heute eh schon stark beschädigt sei. Facebook habe einen Marktanteil von über 90 Prozent. Wer sich vernetzen will, gehe eben dorthin, wo auch die anderen sind. Dieser „Lock-in-Effekt“ erschwere den Wechsel zu kleineren Konkurrenten (wie Diaspora).

Wenn Facebook mehr Daten erhalte, so Richter Meier-Beck in der Verhandlung, werde es noch besser und ziehe noch mehr Kunden an und erhalte noch mehr Werbegelder, dies beschädige dann den Wettbewerb noch mehr. Es sei deshalb zum Schutz des „Rest-Wettbewerbs“ sinnvoll, wenn für die Auswertung der Off-Facebook-Daten eine gesonderte Einwilligung erforderlich ist und dann viele nicht zustimmen.

Nach der Eilentscheidung des BGH ist die Anordnung des Bundeskartellamts wieder vollziehbar. Facebook hat aber vier Monate Zeit, um über die Umsetzung der Anordnung zu verhandeln. Das Hauptsacheverfahren läuft zwar noch, hier dürfte der BGH aber ganz ähnlich entscheiden wie jetzt im Eilverfahren. (Az.: KVR 69/19)

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.