BVerfG zu Prostituiertenschutzgesetz: „Abstrakt, fiktiv und lückenhaft“

Karlsruhe nimmt die Klage von Sexarbeiter*innen nicht an. Das Prostituiertenschutzgesetz schade mehr, als dass es nutze, kritisieren diese.

Mehrere Frauen halten vor dem Bundesrat Regenschirme in die Höhe, auf denen "Sexarbeit" steht

Mai 2016 vor dem Bundesrat: Schon vor Verabschiedung des Gesetzes protestierten Kritiker*innen Foto: dpa

BERLIN taz | Das Bundesverfassungsgericht hat eine Klage gegen das Prostituiertenschutzgesetz abgelehnt. Die Selbsthilfeorganisation Doña Carmen, die die Klage initiiert hatte, wertet den Karlsruher Beschluss als „Ausdruck einer tiefsitzenden Missachtung und des mangelnden Respekts gegenüber der Tätigkeit von Sexarbeiter/innen“.

Das von der Großen Koalition beschlossene Prostituiertenschutzgesetz ist im Juli 2017 in Kraft getreten. Seitdem müssen sich Prostituierte bei den örtlichen Behörden anmelden, sie müssen die Anmeldebescheinigung mit sich führen und regelmäßig Gesundheitsberatungen besuchen.

Der so erzwungene Behördenkontakt soll Zwangsprostituierten ermöglichen, sich zu offenbaren. Andere Sexarbeiterinnen sollen über Wege aus der Prostitution informiert werden.

GegnerInnen des Gesetzes befürchteten jedoch, dass die Anmeldepflicht selbstständig arbeitende Frauen in die Illegalität treibe, weil sie sich gegenüber den Behörden nicht outen wollen. Anmelden würden sich vor allem Frauen, die von den Bordellbetreibern dazu gezwungen werden.

Eingriff in die Berufsfreiheit

Faktisch wird das Gesetz erst seit wenigen Monaten praktiziert, weil die meisten Kommunen zunächst gar nicht in der Lage waren, Anmeldungen entgegenzunehmen und Beratungen zu leisten.

Im Juni 2017 hatten 26 Personen gemeinsam Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz eingelegt, davon rund ein Dutzend Prostituierte, acht Bordellbetreiber sowie eine Handvoll Freier. Laut Doña Carmen war es die „erste Verfassungsklage von Sexarbeiterinnen gegen ein Gesetz, das ihre Rechte verletzt“. Das Gesetz enthalte unverhältnismäßige Eingriffe in die Berufsfreiheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung. Es diene nur der Diskriminierung und Stigmatisierung von Prostituierten.

Ein Jahr später hat eine Kammer des Verfassungsgerichts die Annahme der Klage abgelehnt, weil sie unzureichend begründet sei. „Die Beschwerdeschrift enthält weit überwiegend abstrakte Rechtsausführungen zum Prostituiertenschutzgesetz, fiktive Beispiele und Bezugnahmen auf allgemeine Statistiken.“

Die Verfassungsbeschwerde mache zu wenig deutlich, welche KlägerIn durch welche konkrete Norm in Grundrechten verletzt werde. Die Abwägungen zur Verhältnismäßigkeit seien zudem „lückenhaft“, weil sie sich zu wenig mit den Zielen des Gesetzes auseinandersetzten.

Immerhin deuten die Richter an, wo sie Probleme des Ge­setzes sehen. Sie weisen ausdrücklich darauf hin, dass nun vorerst offenbleibe, ob die Regeln zur behördlichen Überwachung von Bordellen verfassungskonform sind. Gemeint ist vor allem das Recht, Bordelle und entsprechende Wohnungen jederzeit zu betreten. Dagegen wird die hauptsächlich kritisierte Anmeldepflicht für Prostituierte von den Richtern nicht erwähnt.

Doña Carmen nannte die Gründe für die Abweisung „nicht nach­vollziehbar“ und meinte, die Verfassungsrichter hätten „sich einen schlanken Fuß gemacht“. Der Verein werde sich dadurch nicht entmutigen lassen.Az.: 1 BvR 1534/17

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