Bahn verabschiedet sich von maroden ICEs: Sechs Milliarden für die neue Flotte

Größter Auftrag in der Bahn-Geschichte: Die Deutsche Bahn will nahezu ihre gesamte Fernflotte erneuern. Dann soll auch Schluss sein mit Tempo 300.

Das neue Flagschiff der Bahn: Der ICE 3 der Baureihe 407. Die Klimaanlage soll angeblich nicht mehr ausfallen. Bild: dapd

BERLIN dapd/rtr/dpa/taz | Die Deutsche Bahn hat beschlossen, ihre störanfälligen Fernzüge umfassend zu erneuern. Sie hat am Donnerstag vom Aufsichtsrat grünes Licht für eine milliardenschwere Bestellung der künftigen Fernzuggeneration bei Siemens erhalten. Der Zugauftrag ist der größte in der Geschichte der Bahn und wird nach Angaben aus dem Umfeld des Aufsichtsrats ein Volumen von deutlich über sechs Milliarden Euro haben.

Bahnkunden werden die neuen Züge wegen der kompletten Neukonstruktion aber erst in fünf Jahren testen können. Dann sollen die ersten 130 neuen Züge mit dem Projektnamen ICx die teils maroden Intercity- und Eurocity-Züge ablösen. Eine schnellere ICx-Version soll die ICE der ersten und zweiten Baureihe ersetzen.

Insgesamt werden die Züge bis zu 200.000 Sitzplätze mit den Unterlagen zufolge hohem Komfort und großer Kniefreiheit bieten. Sonderbereiche soll es für Familien und Radfahrer geben. Auch Bordrestaurants und Info-Schirme am Platz sind geplant.

Bereits für die ersten 195 Züge sei ein Kaufpreis von rund sechs Milliarden Euro fällig, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters. Damit liegt der Wert des größten Auftrags in der Bahn-Geschichte noch höher als zuletzt bekannt. Ein Drittel des Auftrags wird auf den kanadischen Bombardier-Konzern entfallen, der wichtigster Zulieferer für das Projekt ist.

Bahn will ins Ausland expandieren

Insgesamt hat sich die Bahn eine Option auf 300 Züge gesichert. Sie will damit ihre Fernflotte nahezu vollständig erneuern und die Expansion ins Ausland vorantreiben. Die Auslieferung der Züge wird sich bis 2021 hinziehen. Um die chronische Knappheit an Fernverkehrszügen zu lindern, hat die Bahn außerdem 27 Doppelstockzüge bei dem Siemens-Mitbewerber Bombardier für das "Randnetz" des Intercity-Verkehrs bestellt, die ab 2013 geliefert werden sollen.

Noch in diesem Jahr kommen ferner 16 Züge des ICE-3-Typs Velaro von Siemens für hohe Geschwindigkeiten, die teilweise so ausgelegt sind, dass sie durch den Kanaltunnel bis nach London fahren können.

Schluss mit Tempo 300

Die Bahn verabschiedet sich aber auch vom Wettlauf um immer höhere Geschwindigkeiten. Die 130 Züge von Siemens der ersten Tranche sollen maximal 230 Stundenkilometern fahren, die nächsten höchstens 250. Die jetzigen ICE-3 erreichen über 300 Stundenkilometern, was aber wegen des immensen Energieverbrauchs als kaum noch wirtschaftlich gilt.

Nach den Erfahrungen mit störanfälligen Neu-Zügen sichert sich die Bahn umfassend bei den Herstellern ab: Eine Anzahlung gibt es nicht, Siemens muss die Entwicklung also vorfinanzieren. Erst bei Bereitstellung eines Zuges zur Abnahme sind 60 Prozent des Kaufpreises fällig. Für die Achsen garantiert Siemens eine Laufleistung von vier Millionen Kilometern. Bei einem Riss oder Bruch muss Siemens beweisen, dass die Bahn verantwortlich ist. Ultraschall-Untersuchungen sollen alle 240.000 Kilometer ausreichen.

Klimaanlagen sollen besser werden

Besonderen Wert legte die Bahn auch auf die Wetterfestigkeit der Züge: Schneestürme und Platzregen sollen ebenso wenig stören wie Hitze. Die Klimaanlagen, die im Sommer 2010 reihenweise versagten, sollen bis 40 Grad einwandfrei arbeiten und ihren Dienst auch bei 45 Grad noch tun. Zudem gab es detaillierte Vorgaben auch bei den Toiletten, um das häufige Versagen künftig auszuschließen. Vor dem Start der Serienproduktion sollen zwei Monate lang zwei Triebzüge ohne Fahrgäste und ein Jahr mit Passagieren getestet werden.

Bereits die IC-Nachfolger sollen auch in Österreich der Schweiz und den Niederlanden fahren können. Die Züge der zweiten Tranche können für Frankreich, Italien, Polen und Tschechien eingesetzt werden. Bislang sind diese Länder weitgehend abgeschottet und können auch aus technischen Gründen von Konkurrenzbahnen anderer Länder kaum befahren werden.

Um den Preis und die Konditionen war seit Anfang vergangenen Jahres hart gerungen worden. Für unterlegene Mitbewerber besteht eine zweiwöchige Einspruchsfrist, nach der die Verträge endgültig unterzeichnet werden können. Der Vertrag soll bis Juni unterzeichnet sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.