Barbara Mansberg über Diskriminierung: "Es gibt viel Dialogbereitschaft"

Barbara Mansberg vom Lesben- und Schwulenverband Hamburg stört, dass die Mehrfach-Diskriminierung von Lesben oft ausgeblendet wird.

In Liebe: Vollständige Gleichstellung wäre im Prinzip kein Problem, wenn man die Ehe öffnete. Bild: dpa

taz: Frau Mansberg, der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) in Hamburg, dem Sie vorstehen, kämpft für Gleichstellung. Woran fehlt es noch?

Barbara Mansberg: Es fehlt eine Menge, denn wir haben noch nicht die vollständige Gleichstellung. Die wäre im Prinzip kein Problem: Wenn man die Ehe öffnen würde, wären viele Probleme vom Tisch. So aber gibt es etwa im Adoptionsrecht noch keine Gleichstellung. Außerdem möchten wir, dass das Merkmal der sexuellen Identität im Grundgesetz verankert wird.

Wie gut arbeiten Schwule und Lesben in Ihrem Verein eigentlich zusammen? Sind ihre Interessen immer deckungsgleich?

Wir arbeiten gut zusammen, weil die grundlegende Diskriminierung uns alle trifft. Trotzdem ist die öffentliche Wahrnehmung teils schief. Denn Homosexuelle werden immer als Gruppe genannt, in der alles ähnlich ist. Das stimmt aber nicht. Beim Thema Gewalt erleben Lesben zum Beispiel eine Mehrfach-Diskriminierung - als Frau und als Lesbe. Als Lesbe tauchen sie in öffentlichen Diskurs aber nicht auf, sodass es so aussieht, als hätten Lesben keine Probleme. Auch von Altersarmut sind Frauen - also auch Lesben - stärker betroffen als Männer. Auch das blendet der Diskurs oft aus.

Und wie steht Deutschland in puncto Gleichberechtigung da? Die Homo-Ehe ist nicht erlaubt, sondern nur die Eingetragene Partnerschaft. Liegt das an den konservativen Politikern?

Der Begriff "konservativ" greift mir zu kurz. Ich denke, es gibt eine öffentliche Öffnung für das Thema, und die Gesellschaft ist da oft weiter als die Politik. Andererseits gibt es Kräfte, die aufgrund der politischen Situation auf konservative Werte setzen. Sie wollen den Homosexuellen vielleicht gar nicht die Anerkennung verweigern - aber sie fürchten, dass ihre eigenen Werte von Familien-Hetero-Normativität infrage gestellt werden.

Und wie weit ist die Kirche? Sind PastorInnen im LSVD?

Ja, wir haben auch Mitglieder aus diesem Kontext. Wobei die Diskriminierung in der katholischen Kirche, die Menschen praktisch zum Zwangs-Outing verpflichtet, weit größer ist. Aber in der evangelischen Kirche gibt es Fortschritte.

62, Sozialwirtin, ist im Hamburger Landesvorstand des Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD).

Sind auch Migrantinnen in Ihrem Verein organisiert?

Ja. Allerdings kenne ich keine genauen Zahlen; es sind nicht besonders viele. Aber wir sind natürlich im Dialog, denn Migrantinnen erleben ja eine Dreifach-Diskriminierung - als Migrantin, als Frau und als Lesbe.

Und wie gleichberechtigt ist die Community in Hamburg?

Hier waren wir in einigen Bereichen Vorreiter. Die Hamburger Politik hat Bundesratsinitiativen eingebracht und Forderungen von uns auf ihrer Agenda. Wir werden zum Beispiel unterstützt, was die Öffnung der Ehe betrifft - und bei der Forderung, die homosexuelle Identität im Grundgesetz zu verankern.

Werden Sie auch im Alltag unterstützt? Von Hamburgs Behörden?

Es gibt viel Handlungsbedarf, aber wir beobachten auch eine große Dialogbereitschaft. Es wäre zum Beispiel wünschenswert, dass sich PolizistInnen sensibilisierten für Gewalt gegen sexuelle Minderheiten. Und es gibt praktisch in keiner Fachbehörde Personen, die da nicht noch Aufklärungsbedarf hätten. Aber es gibt eine Bereitschaft, sich über Fortbildungen für das Thema zu sensibilisieren. Das ist ein guter Weg.

Am Samstag startet der 45. Hamburger CSD. Vermittelt er ein realistisches Bild der Community? Oder ist er inzwischen überholt?

Überholt würde ich nicht sagen, denn das politische Ziel der Gleichberechtigung ist nach wie vor aktuell. Und was die Parade betrifft: Sie hat sich in der Vergangenheit vielleicht etwas mehr zur Party entwickelt. Aber in den letzten Jahren hat sich der Fokus wieder auf die Politik und die Lebensrealität verlagert.

Sind die sehr jungen Leute in der Community eigentlich weniger politisch, weil doch schon vieles erreicht ist?

Da unterscheiden sich unsere Jugendlichen nicht von anderen: Es gibt einige, die sehr politisch interessiert sind, und andere, die sich nicht aktiv an politischen Veranstaltungen beteiligen. Aber diejenigen, die meinen, sie müssten sich nun überhaupt nicht mehr sorgen, sind wohl in der Minderzahl.

Würden Sie sagen, innerhalb der Community wächst derzeit eine politisierte Generation nach?

So stark würde ich es nicht formulieren. Das wäre Wunschdenken.

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