Basketball-Europameister Deutschland: „Einfach draufgeballert“
Das deutsche Team wird nach über 30 Jahren wieder Europameister. Im Finale gegen die Türkei entscheidet letztlich das größere Selbstvertrauen.

Alan Ibrahimagic schaute verdutzt zur Seite. Der Coach brachte gerade die Sieger-Pressekonferenz hinter sich. Ibrahimagic war vor dem Turnier als dritter Assistent von Alex Mumbru vorgesehen und wurde zum Chef an der Seitenlinie, nachdem Mumbru wegen einer entzündeten Bauchspeicheldrüse ins Krankenhaus musste.
Ibrahimagic beantwortete also gerade eine Frage und blickte nach links zu seinem Kapitän Dennis Schröder, und dann schaute er fix noch mal zu ihm und zuckte weg, denn auf einmal fielen mit Gebrüll Schröders Teamkameraden im Pressekonferenzraum ein und duschten ihren Kapitän. Der zog sofort die Skibrille auf, die ihm um den Hals baumelte, wohl wissend, dass es irgendwann spritzig werden würde. „Happy Birthday, lieber Dennis“, sangen die Nationalspieler und Neu-Europameister Daniel Theis, Justus Hollatz, die Brüder Oscar und Tristan da Silva und Athletiktrainer Arne Greskowiak.
Sie duschten ihren Kapitän mit ihren Wasserflaschen, denn er war eine Stunde nach dem Gewinn der Basketball-Europameisterschaft durch den 88:83-Erfolg gegen Türkei 32 Jahre alt geworden. Das Geburtstagskind genoss die Szene.
Und dann musste der Spielmacher erklären, wie das denn alles funktioniert hatte mit dem ersten EM-Titel für Deutschland seit 1993? Denn in der ersten Hälfte klappte wenig beim da noch 31-jährigen Schröder. Die Türken verteidigten ihn clever und lockten ihn immer wieder in Räume, in denen ihn dann zwei Akteure gemeinsam piesackten.
Lange kam der Spielgestalter nicht zum Wurf und erzielte lediglich zwei Zähler von der Freiwurflinie. Seine gefährlichen Attacken zum Korb, sein Sprungwurf aus der Halbdistanz, seine Dreier – nichts davon präsentierte der NBA-Profi der Sacramento Kings bis zum Seitenwechsel.
Bonga brilliert
Die Deutschen schlichen mit 40:46 in die Kabine. Tausende türkische Fans verwandelten die Arena von Riga zu ihrer Heim-Halle, und hinzu kamen auch noch Foulprobleme der defensiven Säulen Theis und Isaac Bonga. „Ich habe in der ersten Halbzeit kein gutes Spiel gemacht“, gab Schröder zu, „aber alle meine Teammates waren am Start und haben mich getragen.“
Am Start waren vor allem Franz Wagner, Isaac Bonga und Tristan da Silva. Sie hielten die Deutschen in der ersten Hälfte im Spiel. Wagner wickelte sich auf dem Weg zum Korb immer wieder mit seinem Spinmove um die Gegner herum und schloss ab. Tristan da Silva verwandelte seine Dreier und Bonga brillierte als lästiger Verteidiger und traf dazu in wichtigen Phasen in den Korb. Am Ende kam Bonga auf 20 Zähler und versenkte vier Drei-Punkte-Würfe ohne Fehlversuch. Dazu schnappte er sich fünf Rebounds, verteilte vier Assists, und das alles ohne einen Ballverlust.
Der 25-jährige wurde schließlich als bester Spieler des Finals und als bester Verteidiger des Turniers ausgezeichnet. Er sagt zu seinem tollen Auftritt: „Es hat übertrieben viel Spaß gemacht. Irgendwo glaube ich auch an die Basketballgötter. Wir lagen fast das ganze Spiel hinten und am Ende haben wir es trotzdem wieder geschafft, es hinzubekommen. Das zeigt, was für einen Charakter dieses Team hat, was für ein Selbstbewusstsein wir haben. It was just meant to be.“ Es sollte einfach so sein.
Bonga war an diesem Abend der konstanteste Nationalspieler. Schröder dagegen tat sich auch in der zweiten Hälfte schwer und schien sich seine Momente für die Schlussphase aufzusparen. Denn die letzten sechs Punkte der Partie besorgte allesamt Schröder.
Dazu erklärte er: „Am Ende, als es spannend wurde, habe ich den Ball genommen und einfach draufgeballert. Es hat funktioniert. Die ersten zwei, drei Viertel waren nicht optimal, aber ich hab’s im letzten Viertel gut gemacht, die anderen auch, und wir haben den Sieg geholt.“
Nach ein paar Minuten auf der Pressekonferenz wurde Schröder ungeduldig: „Ich habe Geburtstag und will feiern.“ Die Frage drehte sich um Ibrahimagic, der als Coach eingesprungen war. Schröder lobte ihn: „Vielleicht sehen wir ihn ja in Braunschweig irgendwann.“ Schröder ist der alleinige Hauptgesellschafter der Braunschweiger Bundesliga-Basketballer. „Nein, Spaß beiseite. Er hat auf jeden Fall das Zeug, auch Nationaltrainer zu sein.“
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