Bauen und Bürgerbeteiligung: Ein Zeichen von Interesse

Katrin Lompscher steht in der Kritik. Sie baut zu wenig, so der Vorwurf. Aber Stadtentwicklung heißt für die Senatorin auch, dass sich die Stadtgesellschaft einbringt.

Senatorin Katrin Lompscher mit einem Mikrofon in der Hand im Gespräch mit einer Frau

Setzt auf Bürgerbeteiligung: Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher Foto: dpa

Für Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) startete die Legislatur mit einer klaren Zielsetzung. Der Koalitionsvertrag versprach den Bau von mindestens 30.000 landeseigenen Wohnungen zwischen 2016 und 2021. „Die Koalition“, so hieß es dort, „sieht in bezahlbarem Wohnen ein Grundrecht für alle Berliner*innen.“ Doch schon 2017 wurde nur etwa die Hälfte der geplanten 6.000 Wohnungen fertiggestellt, und auch das Ziel für 2021 wird wohl nicht eingehalten werden. Spürbar wächst der Druck auf die Senatorin Lompscher.

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) kritisierte die schleppenden Abläufe in der Verwaltung. Maren Kern aus dem Vorstand des BBU erklärte, sie arbeite zwar gut mit Lompscher zusammen, bemängelte jedoch: „Da wird zu wenig umgesetzt.“ Nun startete mit Volker Härtig sogar ein Mitglied des Koalitionspartners SPD eine interne Umfrage, ob Lompscher entlassen werden solle. Zwar war die Aktion nicht mit der eigenen Partei abgesprochen, doch in seinem Schreiben kritisiert Härtig Lompscher scharf. Von „Stillstandssenatorin“ ist die Rede.

Lompscher aber versteht sich nicht nur als Bausenatorin. Ihre Senatsverwaltung trägt auch „Stadtentwicklung“ im Titel – und dieser will sich die Senatorin nicht von oben herab und im Alleingang widmen. Vielmehr hat sie sich auf die Fahne geschrieben, die Stadt gemeinsam mit der Bevölkerung zu entwickeln. Ihr Stichwort: Bürgerbeteiligung. „Die Stadt muss dafür sorgen, dass sich alle beteiligen können, die das wollen, die ein spezielles Anliegen, Interesse oder Betroffenheit haben“, sagt Lompscher im taz-­Interview.

Seit vergangenem Jahr entwickelt daher ein Gremium aus Bürger*innen verschiedener Stadtteile, Altersgruppen und Herkünfte einen Leitlinienkatalog (siehe Kasten). Darin sollen Grundsätze für zukünftige Beteiligungsprojekte festgelegt werden. So sollen Menschen die Möglichkeit haben, Bauprojekte transparent vermittelt zu bekommen und mitzugestalten. Doch solche Prozesse brauchen Zeit – zu viel Zeit, lautet eine Kritik. So sieht Maren Kern vom BBU in Beteiligungsverfahren eher Verhinderungsinitiativen. Außerdem bedeutet die bloße Beteiligung noch lange keine Garantie auf Zufriedenheit aller Betroffenen.

Die Leitlinien für Bürger*innenbeteiligung an der Stadtentwicklung sollen ein verbindlicher Standard für zukünftige Beteiligungsprozesse sein. Wie werden Bürger*innen informiert? Wie können sie ihre Ideen einbringen?

Hauptsächlich übernimmt ein Arbeitsgremium die Entwicklung der Leitlinien. Das Gremium besteht aus 12 Vertreter*innen der Stadtgesellschaft und 12 Personen aus Verwaltung und Politik. Die Protokolle der nichtöffentlichen Sitzungen sind online einsehbar.

Mitgestalten geht auch von außerhalb des Gremiums. Auf Veranstaltungen sowie online können Fragen gestellt werden.

Noch in diesem Jahr rechnet der Senat mit einem Entwurf. Dieser soll öffentlich diskutiert und dann vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden. Offiziell endet der Prozess im Herbst 2019. Weitere Informationen auf: www.leitlinien-beteiligung.berlin.de (dst).

Lompschers Dilemma

Wie enttäuschend partizipatorische Prozesse zwischen An­wohner*innen und Politik laufen können, musste Lompscher im Blankenburger Süden erfahren. Als auf einer Informationsveranstaltung im März Bauprojekte präsentiert wurden, von denen auf vorherigen Veranstaltungen noch keine Rede gewesen war, fühlten sich die Teilnehmenden nicht ernst genommen.

Gerade Lompscher, die auf die Mitsprache der Menschen setze, habe nicht mit offenen Karten gespielt, hieß es. Die Bürgerbeteiligung diene vor allem dem Zweck der politischen Rechtfertigung großer Bauprojekte, in denen die Bürger*innen am Ende doch nichts zu sagen hätten.

Es ist Lompschers Dilemma in der Stadtentwicklung. Einerseits werden dringend neue Wohnungen gebraucht. Spätestens die Tausenden Berliner*innen, die im April gegen den Mietenwahnsinn auf die Straße gingen, waren ein Zeichen dafür. Doch um das Problem anzugehen, muss effizient gebaut werden.

Andererseits soll die Stadt auch von den in ihr lebenden Menschen mitgestaltet werden. Dafür braucht es Informationsveranstaltungen, moderierte Beteiligungsformate und vor allem: viel Zeit. Die Frage, mit der sich Lompscher nach der Rückkehr aus ihrem Sommerurlaub befassen muss, ist daher möglicherweise nicht die von Kritikern gestellte Frage: Bürgerbeteiligung, ja oder nein? Vielmehr braucht es eine effiziente Strategie der Beteiligungsverfahren. Schafft es Lompscher, Partizipation und beschleunigten Wohnungsbau in Balance zu bringen?

Lompschers Senatsverwal­tung trägt auch „Stadtentwicklung“ im Titel

Bürgerveranstaltung nicht gut besucht

Die von Bürger*innen erarbeiteten Leitlinien sollen dabei helfen. Doch andere Beteiligungsprojekte beginnen nun mit dem Entwurf ihrer eigenen Leitlinien und starten somit den langwierigen Prozess jeweils wieder von vorne.

So eröffnete Lompscher Ende Juni eine Bürgerveranstaltung im Flughafen Tempelhof zur Zukunft der Flughafengebäude. Auch dort soll ein Gremium eigene Leitlinien für die entsprechend ­stattfindende Bürgerbeteiligung erarbeiten. Über ein Jahr hat das Gremium Zeit, erst dann beginnt der eigentliche Beteiligungsprozess.

Im Fall des Flughafengebäudes ist der Zeitdruck geringer als im Wohnungsbau. Doch im Gegensatz zu den 300 Bewerbungen auf das Berliner Leitlinien-Gremium bewarben sich für den Tempelhofer Flughafen nur 22 Menschen. Auch die Bürgerveranstaltung im Juni war nicht gut besucht. Und die Eingangsworte der Geschäftsführerin des zuständigen Stadtentwicklungsbüros – „wir sind eine kleine Runde, aber die, die da sind, sind die Richtigen“ – konnten nicht über das Gefühl hinwegtäuschen, dass eine endgültige Strategie in Sachen Bürgerbeteiligung auch in der Senatsverwaltung noch nicht gefunden wurde.

Dieser Text ist Teil eines Schwerpunktes aus der Wochenendausgabe der taz.Berlin vom 21./22. Juli 2018.

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