Bauis schaffen Fakten: Zomia erobert Brammer-Areal

Wilhelmsburger Bauwagengruppe wollte nicht länger warten und quartierte sich am Samstag in der Schanze ein. Pachtvertrags-Verhandlungen beginnen am Montag.

Neues Zomia-Domizil in der Schanze: das Brammer-Areal an der Max-Brauer-Allee. Bild: Hendrik Doose

Um 5.58 Uhr beginnt am Samstagmorgen ein neues Kapitel für den Bauwagenplatz Zomia. Der erste Wohn-Truck mit einem umgebauten Bauwagen im Schlepptau biegt aus nördlicher Richtung auf die sogenannte Brammer-Fläche im Schanzenviertel ein. Zwei Frauen in schwarzen Tank-Tops springen aus den Gefährten und ballen die Hand siegessicher nach oben zu Fäusten.

Eine Minute später folgt das zweite Gefährt aus dem Süden. Wenig später biegt noch eine Zugmaschine der ehemaligen Nationalen Volksarmee mit einem Bauwagen an der Anhängerkupplung ein. Flugs werden Tische und Stühle aufgestellt.

Eine ältere Frau, die mit ihrem Hund auf der Max-Brauer-Allee Gassi geht, verfolgt das Treiben genüsslich. „Oh, meine neuen Nachbarn“, murmelt sie vor sich hin. Dann geht es Schlag auf Schlag. Fünf Wagen der Bauwagengruppe Zomia sind eingezogen, verwandeln die triste Sandpiste der Brachfläche mit rotem Sofa,Tisch, Sitzbänken und bei strahlenden Sonnenschein in ein neues Zuhause. „Hier entsteht ein neuer Bauwagenplatz“, steht auf einem Schild an der Einfahrt.

Der unangemeldete Umzug vom Behelfsplatz am Holstenkamp nach Altona hat für die Gruppe gute Gründe: Die Politik soll endlich Handeln. Nachdem die rot-grüne Mehrheit im Bezirk Altona den von der Räumung bedrohten Wilhelmsburgern im November vorigen Jahres Asyl angeboten hat, ist entgegen den Zusagen bislang wenig Konkretes passiert.

Die studentische Bauwagengruppe hat sich im Sommer 2010 gefunden und versucht seither, ihre Vorstellungen von alternativen und kulturellen Lebensformen zu verwirklichen.

Nach einer Odyssee durch Harburg landete die Gruppe mit 15 Wagen auf einer Brachfläche am Wilhelmsburger Ernst-August-Kanal.

Zur Räumung blies Ex-Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) 2011 mehrmals, weil ihm die Wohnkultur missfiel.

Im Asyl in Altona wollte die SPD einen Umzug auf das Brammer-Areal verhindern. Die Grünen drohten mit Koalitionsbruch.

Trotz Umzugstermins am 1. Juli 2012 legte die Politik immer wieder Stolpersteine in den Weg. Zuletzt musste der Kampfmittelräumdienst herhalten.

Mögliche Areale sind als untauglich verworfen worden. Und selbst die Brammer-Fläche, die seit mehr als 20 Jahren brach liegt, war kein Selbstgänger. Die SPD wollte diese Lösung nicht und musste erst von den Grünen mit der Drohung, die Koalition aufzukündigen, dazu bewegt werden, den Platz zu akzeptieren.

Trotz der politischen Entscheidung im Februar, Zomia das Brammer-Areal zur Verfügung zu stellen, war der Weg mit Stolpersteinen belegt. Zum Einen stellte sich heraus, dass die Fläche von dem Abschleppunternehmen Aktiv-Transporte von der Stadt bis Ende Juni gepachtet worden war. Dann wurden sich Zomia und die Finanzbehörde über den Pachtvertrag nicht einig, weil die Behörde gewerbliche Mieten als Grundlage nehmen wollte und auf die Vertragsvorschläge von Zomia-Anwalt Martin Klingner nicht reagierte.

„Unser Vorschlag bewegt sich auf dem Niveau anderer Plätze“, sagt ein Zomia-Sprecher. „Er liegt pro Kopf zwar etwas niedriger, dafür zahlen wir aber die Erschließungskosten selber.“ Zuletzt sprach gegen den Umzug die angebliche Befürchtung der Behörden, auf dem Platz könnten Weltkriegsbomben liegen.

Durch den spontanen Umzug sind nun am Samstag Fakten geschaffen worden. Bezirksamtsleiter Jürgen Warmke-Rose teilt per Handy der Zomia-Vermittlerin Antje Möller von der GAL-Fraktion mit, dass er den Status quo akzeptiere und Montag zum Gespräch bereitstehe. Und auch die Polizei zieht ab, obwohl, wie der Einsatzleiter sagt, es hinter den Kulissen etwas „wuschig“ sei.

Mark Classen von der Altonaer Bezirks-SPD sichert alle Unterstützung zu und die Sprecherin des Bürgerbegehrens für Wohnungsneubau empfehlt: „Ihr seid willkommen, lasst euch hier nicht wieder vertreiben.“

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