Baumaterialien aus dem Wald: Mit Holz hoch hinaus

Holzhäuser sind wirksame Senken für Kohlendioxid. Achtstöckige Häuser sind erprobt, und in zehn Jahren soll ein 100 Meter hohes Holzhaus stehen.

Klimafreundlich und kostengünstig: Studentenwohnungen im norwegischen Ås Bild: Håkon Sparre/NMBU

OSLO taz | Prima Klima“, lacht Linda Andersen. Doch, wirklich sehr zufrieden sei sie mit ihrer hybel, dem Studentenzimmer: Das habe nicht nur ein angenehmes Wohnklima, sondern sei auch nicht so hellhörig, wie das Zimmer in dem konventionell gebauten Wohnheim, wo sie vorher wohnte. Und natürlich sei es etwas Besonderes in einem „Rekordhaus“ zu wohnen.

„Krona“ heißt das „Rekordhaus“, in dem die künftige Regionalplanerin Linda wohnt: eines der beiden mit acht Stockwerken bislang höchsten norwegischen Holzhäuser. Vor einem Jahr zur Einweihung dieser Passivhäuser, die Raum für 254 Studentenwohnungen bieten, waren mit Finanzministerin Kristin Halvorsen und Umweltminister Bård Solhjell gleich zwei Kabinettsmitglieder nach Ås gekommen.

Dort, 30 Kilometer südlich von Oslo, liegt Norwegens umwelt- und biowissenschaftliche Hochschule NMBU. Mit 150-jähriger Tradition im Bereich Wald- und Forstwirtschaft – weshalb es nahe lag, gerade hier zu beweisen, was Holzarchitektur kann.

Und Holz kann eigentlich das meiste besser als andere Baumaterialien, meint Fredrik Mooen Haarland, Ingenieur beim Baukonzern Veidekke, der das Haus errichtete. Sogar, was die finanzielle Kalkulation angeht: „Wir waren überrascht, als wir das nachrechneten, aber der Bau mit Massivholz wurde wirklich billiger, als wenn wir mit vorgefertigten Betonelementen gearbeitet hätten.“ Aus Erfahrung wisse man darüber hinaus bereits, dass Holzbauten auch bei den laufenden Unterhaltskosten deutlich günstiger seien.

Schneller als mit Beton

Weitere Vorteile: Man könne schneller als mit Beton bauen, es entfallen auch lange Austrocknungszeiten, und für Bauarbeiter wie Handwerker bedeute der Holzbau eine wesentlich angenehmere, weil staubfreiere Arbeitsumwelt.

Größter Positivposten ist aber die Klimabilanz. Die Verarbeitung von Holz belastet die Umwelt weit weniger als die Herstellung von Beton und Stahl. Für die Produktion von einem Kubikmeter Beton oder Gipsplatten werden 230 bis 270 Kilogramm CO2 freigesetzt und für die Armierungseisen, ohne die Betonbau nicht möglich ist, gar 10 Tonnen. Zwar ist auch ein Holzbau nicht mit einer Nullbilanz machbar, aber die Kohlendioxidbelastung ist allenfalls halb so hoch wie beim konventionellen Hausbau.

Für die beiden Hochhäuser in Ås hat man ausgerechnet, dass der Baustoff Holz einen Kohlendioxidausstoß erspart habe, den 1.200 Autos bei einer jährlichen Nutzung über 20.000 Kilometer erzeugen.

Riesiger Ressourcenverbrauch

„Wir reden ja viel über Passiv- und Nullenergiehäuser“, sagt Pasi Aalto, Architekturprofessor an der Technischen Universität Trondheim, „sollten aber nicht vergessen, dass der Hauptteil der Klimabelastung beim Produktions- und Bauprozess und nicht bei der Nutzung eines Hauses entsteht.“ Weltweit steht die Baubranche immerhin für 30 Prozent des gesamten globalen Materialverbrauchs.

Ein höherer Anteil nachwachsender Materialien wäre deshalb von großer Bedeutung. Dass es schnell Engpässe bei forciertem Einsatz von Holz als Baumaterial geben könnte, ist nicht zu befürchten. Allein in den schwedischen Wäldern wächst jede Stunde das Baumaterial für 120 fünfstöckige Holzwohnhäuser nach.

Wenn in Europa der Markt für Holzhochhäuser nach wie vor verhältnismäßig klein sei, so hat das laut Aalto damit zu tun, dass der Fokus jahrzehntelang vor allem auf anderen Baumaterialien gelegen und man dadurch mehrere Generationen Holzbauarchitekten und -ingenieure verloren habe.

Gegenwärtig mache der Branche allerdings auch die stark gestiegene Nachfrage nach Holz als Verbrennungsmaterial zu schaffen. Wobei diese vermeintlich umweltfreundliche Heizmethode zu recht immer mehr als problematisch erkannt werde.

Verbauen ist besser als verbrennen

Individuelle Holz- und Pelletsheizungen hätten sich nämlich neben Dieselruß zur Hauptquelle der Feinstaubbelastung in Europa entwickelt. Und Umwelt wie Klima sei auch nicht geholfen, wenn das im Holz gelagerte CO2 durch Verbrennung freigesetzt werde. Forstwirtschaft und Umweltpolitik müssten statt der thermischen in viel stärkerem Maße die stoffliche Verwendung von Holz priorisieren: Heize der Kohlenstoff abgeholzter Bäume bei der Verbrennung die Atmosphäre weiter auf, bleibe er in Holzhäusern auf viele Jahrzehnte gebunden und diese könnten sich zu wichtigen Klimasenken entwickeln.

Apropos Verbrennung: Holzhäuser sind ja aus brennbarem Material, woran die NorwegerInnen erst im Januar wieder eindringlich erinnert worden waren. Gleich zweimal brannte es da. Erst in Lærdal, wo 30 Holzhäuser abbrannten und alle 300 BewohnerInnen des betroffenen Ortsteils evakuiert werden mussten. Eine gute Woche später fielen in Flatanger an der norwegischen Westküste gleich 139 Häuser den Flammen zum Opfer.

Die norwegischen Medien hatten da Gelegenheit, Parallelen zu historischen Großbränden zu ziehen. Einer, der 1904 den ganzen Ort Ålesund in Schutt und Asche legte, hatte seinerzeit durchgreifende Konsequenzen zur Folge, und in Norwegen wurde der Bau von Holzhäusern mit mehr als drei Stockwerken ganz verboten.

Ein Verbot, das erst 90 Jahre später wieder aufgehoben wurde. Ist es also wirklich verwunderlich, dass Holzarchitektur in Misskredit geriet? Und will man angesichts aktueller Brandbilder eigentlich in einem Holzhochhaus wohnen?

Es besteht Forschungsbedarf

Keine Frage für Marius Nygaard. Der Professor an der Architektur- und Designhochschule in Oslo leitet ein Projekt, das die Möglichkeiten einer wachsenden Nutzung von Holz im städtischen Hausbau des Landes erforschen soll, in dem derzeit noch fast durchweg mit Mauerwerk, Stahl und Beton gebaut wird. Die Brandproblematik habe man mit Sprinkleranlagen, Brandalarm, avancierter Rauchventilation und dem Gebrauch dickerer Holzmaterialien mittlerweile gut im Griff, meint er. Jedenfalls was Holzhäuser mit bis zu acht Stockwerken angehe. So wie die in Ås, wo im Übrigen in einigen Wochen vier weitere Studentenwohnheime aus Massivholz – diesmal fünfstöckig – bezugsfertig werden.

Noch ist es allerdings nicht Norwegen, sondern Schweden, das sich zu einem Vorreiter des Holzbaus entwickelt hat und wo nun 12 Prozent aller mehrgeschössigen Neubauten auf der Basis von Holzkonstruktionen errichtet werden. Dort ist auch ein Rekordbau geplant: In Stockholms Innenstadt soll ein spektakulärer 100 Meter hoher Holzwohnturm mit 34 Etagen bis 2023 verwirklicht sein.

Mitmischen will Norwegen bei Rekorden aber schon: Im westnorwegischen Bergen soll der derzeit von zwei zehnstöckigen Holzhäusern in Melbourne gehaltene Höhenweltrekord 2015 mit einem Holzhochhaus von 45 Metern und mit 14 Stockwerken gebrochen werden.

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