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Bayrischer Chatbot BreznBotPublic Value ist wie Bier und Wiesn

Pünktlich zum Beginn der Oktoberfestsaison, bringt der Bayrische Rundfunk den BreznBot ins Netz. Eine Art ChatGPT für Säufer.

Werbung fürs Oktoberfest beim BR jetzt ganz modern und mit Internet und so aber das Motto bleibt: oans, zwoa, g’suffa! Foto: Matthias Balk/dpa

D er Begriff „Public Value“ wird bei ARD und ZDF gerne und oft benutzt, ohne dass immer so ganz klar wird, was hiermit eigentlich gemeint ist. Abgeguckt haben sie sich von der Urahnin des ÖRR. Bei der BBC fing man bereits 2004 mit Public Value an und alles wurde interaktiver. Doch was ist Public Value denn wirklich?

Das hat der Bayerische Rundfunk jetzt endlich mal ganz „nüchtern“ beantwortet und pünktlich zum Oktoberfest den BreznBot ins Netz gekippt. Der ist mit unzähligen Maß Hellem, Millionen Paaren Weißwürstl und jeder Menge Hendl gefüttert und weiß alles über die Wiesn. Er macht massiv Werbung fürs Oktoberfest und ist damit total public value. Um die Expertise über das größte Besäufnis der Welt noch anzureichern, ist auch der Ippen Verlag bei der Public Party mit dabei. Der setzt mit seinem Münchner Merkur und der Boulevardzeitung tz schließlich noch mehr auf weiß-blauen Value als der BR selbst.

BR-Intendantin Katja Wildermuth ist schwer begeistert. Denn „unsere Zusammenarbeit mit Ippen Digital setzt ein starkes Zeichen für innovationsgetriebene Medienentwicklung in Bayern und zeigt, dass öffentlich-rechtliche und private Medienhäuser gemeinsam zukunftsfähige Lösungen entwickeln können – zum Nutzen unseres Publikums und im Sinne eines starken, vertrauenswürdigen Qualitätsjournalismus“. Das ist ein Satz, der definitiv durch kein ChatGPT gejagt wurde und umgehend die Oktoberfest-Sonderwache der Sprachpolizei auf den Plan rufen müsste. Aber gemeint ist ja, dass das Kriegsbeil zwischen ÖRR und den Verlagen doch bitte gleich mit im großen Biersee versinkt.

Der BreznBot selbst trägt Dirndl und ist leider ziemlich langweilig. Auf die Frage, wie viel Steckerlfisch denn 2024 über die Isar gegangen seien, antwortet er traurig: „Leider konnte ich keine spezifischen Informationen darüber finden, wie viel Steckerl­fisch 2024 auf der Wiesn verspeist wurde. Die Berichte über das Oktoberfest 2024 konzentrieren sich hauptsächlich auf die Besucherzahlen und den Bierkonsum.“

Da im ÖRR keine Schleichwerbung gemacht werden darf, gibt’s auch keine Antwort auf die Frage nach dem besten Bier. Ein bisschen besser läuft’s bei: „What’s kotzen in English?“ Auf diesen völkerverbindenden Prompt antwortet die KI: „The term ‚kotzen‘ translates to ‚to vomit‘. It’s often used in relation to excessive drinking, which can be a common occurrence during festive events like the Oktoberfest.“ Intime Geheimnisse, welche Promis sich wo die Kante geben, scheitern allerdings am ÖRR-Wertekanon, tz-Intelligenz hin oder her.

Im Festzelt kommt derweil die Blasmusi aus der Pause zurück und spielt „In München steht ein Rundfunkhaus, oans, zwoa, g’suffa! Da rülpst so mancher Quatsch heraus …“. Die Mitbewohnerin meint trocken, „das Niveau singt, aber der Pegel steigt“. Und jedeR merkt: Hier ist der Public Value endlich dahoam.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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1 Kommentar

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  • Oh je, wieder keine Reservierung für die Wiesn bekommen, das ist bitter!