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Beachvollyeball zieht nach Dortmund umTimmendorfer Strand ist Opfer des eigenen Erfolgs

Zum letzten Mal wurden die Deutschen Meisterschaften im Beachvolleyball in Timmendorfer Strand ausgetragen. Es ist dort einfach zu eng geworden.

Mehr geht nicht: Fans drängeln sich um Court 2 in Timmendorfer Strand Foto: Justus Stegemann/Imago

Timmendorfer Strand taz | Vom Bahnhof aus geht es immer dem Gehör nach. „Völlig losgelöst …“, Bässe, Beats: Es ist unmöglich, die Ahmann-Hager-Arena zu verpassen.

Seit Mittwoch feiert die große Beachvolleyball-Gemeinschaft wieder sich selbst – und das Gefühl von Sonne, Wind und Wellen am Timmendorfer Strand. Deutsche Meisterschaften in Ostholstein, seit 1993 ist das ein Qualitätsprädikat für die Mischung aus Hochleistungssport und Party, für die Nahbarkeit von Spitzensportlern.

Hier wurden Olympiasiegerinnen und -sieger geboren: Kira Walkenhorst und Laura Ludwig, Jonas Reckermann und Julius Brink. Vor einem Jahr buddelten Clemens Wickler und Nils Ehlers olympisches Silber aus dem Sand von Paris. Auch sie sind dieses Jahr dabei, als es zum letzten Mal heißt: Aufschlag Timmendorf.

Denn die Tage des Ostseebades als Beachvolleyball-Epizentrum sind gezählt. Weil die Arena mit ihren 4.500 ausverkauften Sitzplätzen längst zu klein ist – umrahmt von Düne, Ostsee, Seebrücke – wandert die Tour 2026 nach Dortmund. Obwohl die Stimmung grandios wie nirgends sonst ist – bis spät in den Abend.

Ex-Meister Walkenhorst als Buhmann

Alexander Walkenhorst hält mit seiner Agentur Spontent die Rechte an der Meisterschaft bis 2028. Vor vier Jahren selbst noch deutscher Meister im Timmendorfer Sand, ist er nun der Kopf hinter dem Wechsel in den Westen – mit vielen Folgen: „Ich bin hier gerade jeden Tag der Buhmann“, sagt er, „und ich kann es verstehen, weil ich selbst Spieler war. Aber als jemand, der Beachvolleyball vermarktet, muss ich sagen, dass zur Weiterentwicklung ein Umzug gehört.“

Der Deutsche Volleyball Verband (DVV) und Walkenhorst schätzen das Wachstums­potential im dortigen Revierpark Wischlingen enorm ein; zunächst 6.500, dann 10.000 Plätze sollen es dort sein. Auf die Gesamtfläche, groß wie 55 Fußballfelder, passen 20.000 Menschen. Ansonsten sagt der 37 Jahre alte Walkenhorst: „Ich möchte bei dieser tollen letzten Veranstaltung hier gar nicht so viel zu Dortmund sagen. Das ist, als käme ich mit der Neuen zur Beerdigung der Ex.“

Um flotte Sprüche ist der 206 Zentimeter lange Querkopf nie verlegen. Aber seine Ideen, Formate und Konzepte sind es auch, die Beachvolleyball mit am Laufen halten – für seinen Geschmack noch viel zu wenig: „Wir sind neben Hockey doch die erfolgreichste Teamsportart bei Olympischen Spielen.“

Die gute Ostseeluft gibt's kostenlos

Timmendorf ist klein, gewohnt, gediegen – aber mutiert zum Partytempel, wenn die Beach­volleyballer Ende August/Anfang September kommen. Da erinnert manches an Junggesellen-Abschied, anderes an Ballermann. Ist das Setting an Tagen wie diesen doch auch zu schön: Die Sonne bratzt, die Wellen schaukeln, Bier und Champagner schmecken zur Bratwurst und unten im Kessel geht es hin- und her. Dazu die gute Ostseeluft. Kostenlos. Die Plätze sind mehr als fair bezahlbar; die Option, Timmendorf weiter auszuquetschen, Preise zu erhöhen, wollte Walkenhorst nicht wählen.

In die Röhre schauen nun das anliegende Maritim-Hotel, das Spieler und Stab bewohnten, das teilweise das Catering lieferte, und die Gemeinde selbst. Der Geschäftsführer der Touristen-Information Joachim Nitz hat sich mit Walkenhorst den Kopf zerbrochen, wie denn mehr Fans auf den Stahlrohrtribünen unterzubringen wären. Statiker wurden bemüht, Stadionbau-Fachleute. Aber: weicher Boden, wenig Platz, Naturschutz – mehr geht nicht.

Man muss kein Nostalgiker sein, um dem alten Seebad-Charme zu erliegen

Timmendorf gibt der Veranstaltung 250.000 Euro, man hatte sich auch für die Auflage 2026 beworben. Doch die Konkurrenz, quasi alle großen Städte außer Berlin, bot mehr. Das war’s für den Traditions-Standort, der sich in Zukunft auf seine „Stars am Strand“-Musiktour konzentrieren und diese vergrößern will. Die findet auch in der Seebrücken-Arena statt.

Die Athleten sehen den Wegzug aus vertrautem Terrain mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „So schön Timmendorf auch ist, man sollte sich Neuem nicht verschließen und Dortmund eine Chance geben“, sagt Clemens Wickler. „Wenn es dort nicht klappt, kann man in einem Jahr immer noch draufhauen.“ Wobei ein Jahr ein sehr strenges Maß ist.

Es ist ja nicht nur die Größe, die für den Umzug spricht. Natürlich ist Dortmund viel besser zu erreichen, bietet abends mit dem Einzugsgebiet mehr Möglichkeiten, mehr Auswahl an Hotels, Restaurants, Bars. Doch muss man kein Nostalgiker sein, um dem alten Seebad-Charme Timmendorfs zu erliegen, mit seinen albernen Hamburger Snobs als humoristischem Rand­aspekt.

Hier war klar, wo abends die Party stieg. Weil es nur eine gab. In einer Zeit der tausend Möglichkeiten machte es einen besonderen Reiz aus, mal keine Wahl zu haben, gewissermaßen vorbestimmt ins Wochenende zu starten. Vielleicht war dieser weiche Wert das Schönste, was das Ostseebad zu bieten hatte. Neben der Ostsee natürlich, der unaufgeregten kleinen Nordsee-Schwester.

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