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Bedrohte KneipeWenn das Broschek überlebt

Bier und Kraut-Tech-Punk. Unsere Autorin tauchte in einer Neuköllner Kneipe ab – und die ringt um ihre Existenz.

Das Broschek lebt am Freitag Abend: Es beginnt direkt voll in die Fresse mit „Kraut Tech Punk“ und viel Bier Foto: Axel Bradatsch

M anche Abende sind Berlin in a nutshell. Wie dieser Freitagabend im Neuköllner Broschek. Ich bin natürlich wieder zu spät dran, während ich mich auf dem Fahrrad durch den Shisha-Dampf der Sonnenallee durchschlängle. Mit der Ringbahn wäre ich vermutlich etwas schneller und weniger verschwitzt angekommen, aber da hieß es mal wieder: Schienenersatzverkehr.

Du wartest schon mit einem Bier in der Hand an der Ecke zur Weichselstraße auf mich. „Es ist schon richtig was los“, sagst du, während wir uns durch mehrere Grüppchen Neukölln-People drängen. Eine selbstgemachte DIN A4 Collage am Fenster fasst zusammen, warum sie wohl alle da sind: „FURIE soli Konzert, help Broschek“.

Heute findet hier ein Solikonzert für eine der mittlerweile kultigsten Kneipen im Donaukiez und drüber hinaus statt. Die Berliner New­comerband Furie tritt auf. „Kraut Tech Punk“ nennen sie ihre Musik. Das klingt schon mal vielversprechend. Und ich freue mich jetzt schon, dass das Broschek so gut besucht ist.

Seit 2008 – als es viele der hippen Lokale drumherum noch gar nicht gab – betreibt Lars den Laden. Und der ist nicht nur eine durchaus gute Schankwirtschaft, sondern auch ein bisschen Kunstausstellung, ein bisschen Wohnzimmer-Konzertlocation, Schauplatz der Lesebühne Neuköllner Brett – und ab und an gibt’s hier sogar Käsefondue.

Die Geschäfte laufen schlecht

Doch, wie sagt Lars seit einigen Wochen, wenn man ihn fragt wie es läuft? „Beschissen.“ Seinem Laden geht’s wie so vielen: Es ist keine gute Zeit für Kneipeninhaber. Nachbarn beschweren sich immer häufiger wegen der Lautstärke und die Leute gehen zugleich seit der Coronapandemie immer seltener in die Kneipe. Auch, weil sie ihre eigenen Mieten kaum noch zahlen können. Und vor ein paar Monaten hat dann auch noch Lars’ Vermieter die Broschek-Miete verdoppelt – eine hundertprozentige Mieterhöhung.

Bei Gewerbemieten anscheinend kein Problem.Der Laden ist wirklich voll. „Ich wünschte es wäre immer so viel los wie heute“, sagt Lars. „Gestern waren es sechs Gäste in sechs Stunden.“ Mehr kann ich ihn grad nicht mehr zur wirtschaftlichen Situation fragen. Und bis zum Tresen schaffe ich es auch nicht, denn Furie betritt die Bühne. Also die Ecke des Raumes, in der die Instrumente bereit stehen.

Und es beginnt direkt voll in die Fresse: wuchtige Drums, Bass, verzerrte Gitarre, Synthesizer, wilde Töne aus der Klarinette. Böse Zungen würden behaupten: Lärm. Aber es bleibt nicht dabei, denn Furie kann – wie der Name verspricht – Musik machen und zwar furios eben, mitreißend und eigen zugleich.

Ein wenig Nina-Hagen-Flair, dann wieder punkige Powerchords, NDW-Ankläge, ein bisschen Theatereinlage mit Klarinettengedudel und ganz viel Herumexperimentieren mit Sounds und Effekten. Dann mischt sich auch noch ein Saxophon mit ein und spätestens jetzt tanzt der ganze Laden. Kurz fühlt es sich an wie damals vor Corona. Volle Kneipe, geile Mukke, gute Laune.

Viel Lärm wenig Nichts

„Das sind die neuen Ton Steine Scherben“, ruft Lars begeistert zu mir rüber. Die Luftqualität hat etwas von Sportumkleide. Die Stimmung ist dafür umso besser. Die Tür muss gerade deswegen zubleiben. „Sonst ruft die Nachbarin von gegenüber wieder die Bullen.“ Sie scheint wohl schon vor 22 Uhr ein Problem mit Spaß zu haben.

Viel zu früh ist das Konzert vorbei, alle sind verschwitzt und wir holen uns gleich noch mal zwei solidarische Drinks. Unser kleiner Beitrag zur Miete. Wir kühlen uns draußen vor der Tür etwas runter, an der für August eigentlich viel zu frischen Luft, reden etwas über die „Scheiß Mietenpolitik“ dieser Stadt, was aber die Stimmung eher drückt.

Dann fragen uns, wie man die Band wohl richtig ausspricht. Du: „fury“, ich: „Furie“, der Gitarrist der Band: „wie ihr möchtet“. Und erzählt dann, dass Furie gerade ihre erste Platte aufnimmt. Sie könnten sich gut vorstellen den Record Release hier zu feiern. Also, wenn das Broschek überlebt.

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Ruth Lang Fuentes
Autorin
Geboren 1995 in Kaiserslautern, bis Januar 2023 taz Panter Volontärin. Sie studierte Mathematik in Madrid und Heidelberg. Schrieb dort für Studierenden- und Regionalzeitung. Seit 2022 schreibt sie im Wechsel mit Aron Boks die taz.FUTURZWEI-Kolumne "Stimme meiner Generation".
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