Befruchtung: Bremen ohne Kinderwunsch

Die Länder wollen sich nicht an den Kosten für reproduktionsmedizinische Behandlungen beteiligen. Die Bremer CDU findet das falsch.

vom Kinderwunsch zum Kinderwagen: Bremen will nicht helfen. Bild: dpa

Kein Geld für die Unterstützung ungewollt kinderloser Paare hat Bremen. Das Bundesland werde sich aus Kostengründen nicht an einem Programm des Bundesfamilienministeriums beteiligen, das den Eigenanteil an einer Kinderwunschbehandlung von derzeit 50 auf 25 Prozent senken soll. Dies sagte gestern Karla Götz, Sprecherin der Bremer Gesundheitssenatorin. „Wir setzen darauf, dass die Krankenkassen ihre Kostenbeteiligung wieder erhöhen und die Bundesregierung dies als Länderanteil akzeptiert.“

Mit dieser Haltung steht Bremen nicht alleine da. Erst am Donnerstag vergangener Woche hatten in Saarbrücken die Gesundheitsminister der Länder einstimmig erklärt, sie würden es „begrüßen“, wenn die gesetzlichen Krankenversicherungen ihren Anteil auf 62,5 Prozent erhöhen – und das Bundesfamilienministerium dies als „Kofinanzierung der Länder“ anerkennt.

Der Hintergrund: Seit dem Jahr 2004 übernehmen die Kassen nur noch die Hälfte der Kosten für eine Kinderwunschbehandlung – und dies auch nur drei Mal. Dabei kostet ein Versuch, mithilfe der Reproduktionsmedizin schwanger zu werden, durchschnittlich 3.200 Euro für Behandlung und Medikamente.

Damit sei „die Erfüllung des Kinderwunsches“ abhängig „von der Vermögens- und Einkommenssituation der betroffenen Paare“, formulierten die Bundesländer im April in einem gemeinsamen Gesetzesentwurf an den Bundesrat. In diesem fordern sie den Bund dazu auf, ein Viertel der Kosten zu tragen. Doch der Bundesregierung ist dies zu viel: Sie fordert ihrerseits die Bundesländer dazu auf, wiederum die Hälfte dieses Viertels zu übernehmen. Was diese, wie oben beschrieben, ablehnen.

Seit Ende vergangener Woche liegt der Ball also wieder bei der Bundesfamilienministerin. Dessen ungeachtet hat sich die Bremer CDU jetzt des Themas angenommen. Einen Tag nach der „Saarbrücker Erklärung“ der Gesundheitsminister stellte sie einen Antrag an die Bürgerschaft, in dem der Senat aufgefordert wird, „ein Konzept zur Förderung von Kinderwunschbehandlungen im Land Bremen vorzulegen“. Unter Einbeziehung der finanziellen Förderung durch den Bund, wobei die CDU fälschlicherweise davon ausgeht, „dass die Länder sich ebenfalls zu 25 Prozent“ beteiligen müssen. Richtig sind 12,5 Prozent.

Die CDU begründet ihren Antrag mit der Annahme, dass die hohen Kosten dazu geführt haben, dass die Inanspruchnahme von Reproduktionsmedizin seit 2004 zurück gegangen ist. Zählten die deutschen ReproduktionsmedizinerInnen laut ihrem aktuellen Jahresbericht im Jahr 2003 noch 105.854 Behandlungen – darunter zahlreiche Mehrfachversuche – waren es im darauf folgenden Jahr nur noch 59.448 Fälle künstlicher Befruchtung. Seit 2006 steigen die Zahlen allerdings wieder jährlich an: 2010 waren es 75.928 Fälle.

„Aus finanziellen Gründen entscheiden sich nur wenige gegen eine Kinderwunschbehandlung“, ist die Erfahrung des Bremer Reproduktionsmediziners Achim von Stutterheim. Allerdings würden es einige bei einem oder zwei Versuchen belassen – obwohl die Chance, ein Kind zu bekommen, mit jedem Versuch steigt. In seiner Praxis finden 80 Prozent aller Behandlungen in Bremen statt. Insgesamt, so schätzt er, gäbe es davon in Bremen im Jahr rund 650, nur höchstens 500 allerdings von gesetzlich Versicherten.

Bremen müsste also nach dieser Rechnung rund 200.000 Euro jährlich beisteuern. Doch damit investiert das Land nicht unbedingt in neue EinwohnerInnen: 70 Prozent der PatientInnen des Mediziners von Stutterheim kommen aus Niedersachsen.

Aufgrund dieser Tatsache hält von Stutterheim auch nichts davon, dass die Länder einzeln über die Kofinanzierung entscheiden. Im für ihn schlimmsten Fall würde Niedersachsen die Kosten übernehmen und Bremen nicht. Und ihm die PatientInnen davon laufen. Unter solchen Umständen würde er seine Kassenzulassung zurück geben und nur noch SelbstzahlerInnen und PrivatpatientInnen behandeln, droht er. Wenn es darum gehen solle, Ungleichbehandlung zu beenden, dann brauche es eine bundeseinheitliche Lösung.

Doch diese ist nicht in Sicht. Das Bundesfamilienministerium lehnt den Ländervorschlag ab, wie eine Sprecherin gestern sagte. Und für die Kassen gibt es keinen Anlass, ihre Kostenbeteiligung zu erhöhen.

Die grüne Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther sagte gestern, man dürfe bei dem Thema nicht nur über die Kosten reden. „Eine ungewollte Kinderlosigkeit bedeutet große innere Not und da muss man sich medizinisch helfen lassen können, egal wie viel Geld man hat.“

Gleichzeitig sei eine reproduktionsmedizinische Behandlung mit einer hohen emotionalen und körperlichen Belastung verbunden – vor allem dann, wenn sie erfolglos bleibt. „Die Leute bleiben damit alleine, da müssen wir viel stärker die psychosoziale Begleitung berücksichtigen.“ Außerdem werde es höchste Zeit, dass auch Menschen ohne Trauschein und solche, die in homosexuellen Beziehungen leben, die Behandlung in Anspruch nehmen können.

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