Behinderte Kinder nur an 60 Schulen: Inklusion nicht überall

Schulsenator will Aufnahme klassisch behinderter Kinder auf 60 Standorte begrenzen. Lernförderbedürftige Kinder können an alle Schulen.

SPD-Schulsenator Ties Rabe hat Eckpunkte für ein "inklusives Bildungskonzept" vorgestellt. Dabei verabschiedet er sich von dem Anspruch, dass Eltern ihr Kind an jeder Schule anmelden können. Hat ein Kind eine Behinderung, etwa der geistigen oder motorischen Entwicklung, bleibt Eltern nur die Wahl zwischen rund 60 "integrationserfahrenen" Schulen oder einer speziellen Sonderschule. Erfüllen Kinder die Leistungsstandards, können sie auch ans Gymnasium.

Rabe berief sich auf Wissenschaftler. Die hatten bei einer Anhörung von einer "Einzelintegration" abgeraten. Es sei sinnvoller, drei oder vier behinderte Kinder in einer Klasse zu haben. Pro Kind soll es sieben Unterrichtsstunden zusätzlich geben, an einer Ganztagsschule neun. Dies wäre fast die Ausstattung der bisherigen Integrationsklassen, sagte Rabe.

Der Elternverein "Leben mit Behinderung" ist mit der Lösung einverstanden. "Wir können damit leben", sagt Geschäftsführer Martin Eckert. Wichtig sei, dass es Integrationsschulen auch wohnortnah gebe.

In Hamburg gab es im Schuljahr 2010/11 rund 8.700 Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Als Behinderte bezeichnet die Schulbehörde die rund 2.570 Kinder mit Förderbedarf in der geistigen, körperlichen und motorischen Entwicklung, Sinnesschädigungen oder Autismus. Etwa 30 Prozent besuchen allgemeine Schulen, 70 Prozent Sonderschulen.

LSE-Kinder haben Förderbedarf im Bereich Lernen, Sprache und Entwicklung. Von ihnen waren früher über 80 Prozent an Förderschulen. Seit es das Elternwahlrecht gibt, kehrt sich das Verhältnis um.

Deshalb müssten in Altona und Harburg neue Standorte geschaffen werden. Außerdem müssten für Kinder mit sehr hohem Betreuungsbedarf mehr als sieben Stunden bewilligt werden.

Weiter an jeder Schule - außer den Gymnasien - aufgenommen werden Kindern mit Förderbedarf im Bereich Lernen, Sprache, Emotionale Entwicklung, kurz LSE. Es sei "mittelfristig" Ziel, dass 80 Prozent von ihnen auf die Regelschule kommen und nur noch 20 Prozent an Förderschulen lernen, so Rabe.

Die 25 Förder- und Sprachheilschulen sollen zu 14 regionalen Bildungszentren zusammengeführt werden, an denen Schüler im Ausnahmefall auch unterrichtet werden. Die speziellen Sonderschulen können laut Rabe "bleiben, wie sie sind".

Rabe führt bei LSE, wie angekündigt, eine "systemische Resource" ein. Pauschal wird angenommen, dass fünf Prozent der Kinder Förderbedarf haben und jedes 3,5 Unterrichtsstunden zusätzlich braucht. Rabe rechnete vor, dass eine durchschnittliche Stadtteilschule für 67 LSE-Kinder rund acht Stellen bekäme.

GEW und Linke äußerten an Rabes Plänen heftige Kritik. So verschlechtere sich die Betreuung in den Integrativen Regelklassen (IR), die in dem Rabe-Modell aufgehen sollen, weil weniger Sonderpädagogen und mehr Erzieher eingesetzt werden. Die GEW will am heutigen Donnerstag für "Mehr Geld für die inklusive Schule" demonstrieren.

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