Beratungspflicht bei Spätabtreibung: Hilfe oder Schikane?

Die meisten Politiker und Experten fordern eine bessere Beratung für Frauen, die vor einer Spätabtreibung stehen. Aber muss sie verpflichtend sein?

Die Abgründe einer schönen Sache. Bild: dpa

BERLIN taz Schwangere, deren Ungeborenes schwer behindert ist und für das eine Spätabtreibung infrage kommt, müssen besser beraten werden. In diesem Punkt waren sich am Montag bei der Bundestagsanhörung fast alle ExpertInnen und ParlamentarierInnen einig.

Nur 18 Prozent der Frauen, die einen pathologischen Befund erhalten, würden ausreichend beraten, referierte Irmgard Nippert, Frauengesundheitsforscherin an der Uni Münster. Und Christiane Woopen von der Uni Köln beschrieb eindrucksvoll, wie selten Frauen den Weg vom Arzt in die Beratungsstellen finden, die ihnen helfen könnten, den Schock der Diagnose zu verarbeiten.

Lediglich Christian Albring vom Berufsverband der Frauenärzte war der Ansicht, dass die bisherige Gesetzeslage ausreiche. Alle anderen, auch andere Ärztevertreter, sahen Handlungsbedarf. Aber welchen? So forderte Heribert Kentenich von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, im Schwangerschaftskonfliktgesetz klarzustellen, dass Ärzte Frauen zur Beratung schicken müssen und ihnen drei Tage Bedenkzeit einräumen sollen. So sieht es der Gesetzentwurf von Johannes Singhammer (CSU) und der SPD-Familienpolitikerin Renate Schmidt vor. Darin ähnelt er dem SPD/Grünen-Antrag der Familienausschuss-Vorsitzenden Kerstin Griese.

Doch sowohl die Frauenpolitikerinnen von SPD und Grünen als auch Beraterinnen und die Kriminologin Monika Frommel aus Kiel halten Beratungspflicht und Bedenkzeit für Schikanen. "Wenn ein flächendeckenden Beratungsnetz sichergestellt und finanziert ist, können wir uns alle Regelungen sparen", sagte Frommel.

Auch Gisela Notz von pro familia wollte "keine Verschärfung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes". Darum wollen die Frauenpolitikerinnen um die SPD-Abgeordnete Christel Humme nur die Mutterschaftsrichtlinien verschärfen.

Unklar blieb, ob eine Dokumentation der Fälle gemäß dem Singhammer-Gesetz dem Datenschutz zuwiderläuft. Singhammer verfügt zwar, es dürften keine Rückschlüsse auf die Einzelperson möglich sein. Dies aber wäre möglich, wenn Landesbehörden die Fälle sammeln, stellt Christel Humme fest: "Im Saarland gab es 2007 nur einen einzigen Fall. Natürlich ist der rückverfolgbar", so Humme zur taz.

Bisher ist unklar, wie sich die Abgeordneten, deren Fraktionszwang aufgehoben ist, auf die verschiedenen Anträge verteilen werden. Auch deshalb werden noch Kompromisslinien gesucht, um die Zahl der Anträge zu verringern.

Noch diese Woche werden sich die Griese- und die Humme-Gruppe treffen. Aber auch ein Kompromiss zwischen Griese und Singhammer, der dann wohl auf seine Statistik verzichten müsste, halten SPD-Abgeordnete für denkbar. Die zweite und dritte Lesung der verschiedenen Anträge soll im Mai stattfinden.

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