Berichterstattung bei der EM: Der teure Blick hinter die Uefa-Mauer
Gratisessen gibt es bei dieser EM für Journalist:innen nicht. Dafür personalisierte Sitze und Food-Labels von „grüner Hügel“ bis „Scheißhäufchen“.

D ie Uefa hat sich Zeit gelassen. Ich weiß nicht, ob es schlechte Organisation war, Gleichgültigkeit oder Marketingstrategie. In jedem Fall habe ich erst erfahren, dass ich für das Turnier akkreditiert bin, als ich schon zur K.-o.-Runde in die Schweiz angereist war – immerhin zwei Tage vor dem ersten Spiel, auf wiederholtes Nachfragen, und immerhin ein Ja. Das nennt man wohl Thrill. Dieser ungewollte Thrill muss ein allgemeines Ding gewesen sein. Auch andere Kolleg:innen haben bis wenige Wochen vor Turnierbeginn geharrt. Für Leute mit finanziellem Vorschuss vom Auftraggeber, zu denen ich schönerweise gehöre, war das zu verkraften. Aber was ist mit Kolleg:innen, die auf eigene Rechnung ohne Absicherung buchen? Und wie unverschämt ist das generell von der Uefa?
Wie im Klassenzimmer
Die Verbände ziehen die Mauern höher. Turnierbeobachtung wird immer teurer; die aufgeblähte Männer-WM 2026 wird für viele Bericht Erstattende kaum finanzierbar. Die Schweiz als Ausrichterstaat bildet im Trend keine Ausnahme. Auch gibt es jetzt die Regel, dass man erst zu einem Spiel akkreditiert sein muss, um eine Gesamtakkreditierung zu kriegen, was ungefähr null Sinn macht und wohl der Grund der Verzögerung ist. Und einen Sitzplatz muss ich neuerdings buchen. Das läuft in Gruppen nach Picks, also ein bisschen wie beim NBA-Draft, zu gestaffelten Zeiten. Ich verchecke meinen Pick dauernd, und eigentlich ist es auch wieder egal, weil es eh genug Plätze gibt. Immerhin kann man jetzt vorher schauen, welches Medium wo sitzt. Das ist so ähnlich wie im Klassenzimmer. Es wird also mal wieder immer irrer bei der Uefa.
Die Turnierkolumne, in der man über Fifa oder Uefa schimpft, gehört fest ins Repertoir. Zugegeben, sie ist mir auch ein bisschen unangenehm. Denn Journalist:innen maulen über die Uefa im etwa gleichen Rhythmus wie Deutsche über die Deutsche Bahn. In beiden Fällen hat das meistens seine Richtigkeit, aber es ist auch was Performatives dran, ein ewig gleicher Witz ohne jede Fallhöhe. Und finden wir es nicht doch alle ganz gut hier bei der Uefa? Auf schönen Sitzplätzen jubeln mit dem Team. Ich kann dieses Wunder manchmal immer noch nicht fassen, kostenlos ins Stadion zu dürfen und noch dafür bezahlt zu werden. Die exklusive Welt im Medienbereich hat etwas Faszinierendes. Endlose verwinkelte Katakomben und Betontreppen, Aufzüge in luxuriöse Etagen, die Suche nach dem Gratisessen.
Scheißhäufchen
Leider gibt es dieses Mal kein Gratisessen, nur überteuerte Uefa-Menüs. Ich kaufe mein Essen also an der irre teuren Stadionbude. Immerhin, eine wirklich gute Neuerung gibt es hier: Das Essen der Uefa ist jetzt moralisch markiert, von niedrigen Emissionen bis zu hohen, anständige Gerichte haben einen schönen grünen Hügel, die größten Klimakiller kriegen ein braunes Scheißhäufchen. Ich kaufe einen schönen grünen Hügel, hauptsächlich weil Fritten eh das Beste sind. Und kurz denke ich: Warum verkauft uns die Uefa eigentlich braune Scheißhäufchen?
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