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Berichterstattung bei der EMDer teure Blick hinter die Uefa-Mauer

Gratisessen gibt es bei dieser EM für Jour­na­lis­t:in­nen nicht. Dafür personalisierte Sitze und Food-Labels von „grüner Hügel“ bis „Scheißhäufchen“.

Tor bei der EM in der Schweiz! Aber die Teilnahme für Jour­na­lis­t:in­nen wird immer komplizierter Foto: Martin Meissner/ap

D ie Uefa hat sich Zeit gelassen. Ich weiß nicht, ob es schlechte Organisation war, Gleichgültigkeit oder Marketingstrategie. In jedem Fall habe ich erst erfahren, dass ich für das Turnier akkreditiert bin, als ich schon zur K.-o.-Runde in die Schweiz angereist war – immerhin zwei Tage vor dem ersten Spiel, auf wiederholtes Nachfragen, und immerhin ein Ja. Das nennt man wohl Thrill. Dieser ungewollte Thrill muss ein allgemeines Ding gewesen sein. Auch andere Kol­le­g:in­nen haben bis wenige Wochen vor Turnierbeginn geharrt. Für Leute mit finanziellem Vorschuss vom Auftraggeber, zu denen ich schönerweise gehöre, war das zu verkraften. Aber was ist mit Kolleg:innen, die auf eigene Rechnung ohne Absicherung buchen? Und wie unverschämt ist das generell von der Uefa?

Wie im Klassenzimmer

Die Verbände ziehen die Mauern höher. Turnierbeobachtung wird immer teurer; die aufgeblähte Männer-WM 2026 wird für viele Bericht Erstattende kaum finanzierbar. Die Schweiz als Ausrichterstaat bildet im Trend keine Ausnahme. Auch gibt es jetzt die Regel, dass man erst zu einem Spiel akkreditiert sein muss, um eine Gesamtakkreditierung zu kriegen, was ungefähr null Sinn macht und wohl der Grund der Verzögerung ist. Und einen Sitzplatz muss ich neuerdings buchen. Das läuft in Gruppen nach Picks, also ein bisschen wie beim NBA-Draft, zu gestaffelten Zeiten. Ich ver­checke meinen Pick dauernd, und eigentlich ist es auch wieder egal, weil es eh genug Plätze gibt. Immerhin kann man jetzt vorher schauen, welches Medium wo sitzt. Das ist so ähnlich wie im Klassenzimmer. Es wird also mal wieder immer irrer bei der Uefa.

Die Turnierkolumne, in der man über Fifa oder Uefa schimpft, gehört fest ins Repertoir. Zugegeben, sie ist mir auch ein bisschen unangenehm. Denn Jour­na­lis­t:in­nen maulen über die Uefa im etwa gleichen Rhythmus wie Deutsche über die Deutsche Bahn. In beiden Fällen hat das meistens seine Richtigkeit, aber es ist auch was Performatives dran, ein ewig gleicher Witz ohne jede Fallhöhe. Und finden wir es nicht doch alle ganz gut hier bei der Uefa? Auf schönen Sitzplätzen jubeln mit dem Team. Ich kann dieses Wunder manchmal immer noch nicht fassen, kostenlos ins Stadion zu dürfen und noch dafür bezahlt zu werden. Die exklusive Welt im Medienbereich hat etwas Faszinierendes. Endlose verwinkelte Katakomben und Betontreppen, Aufzüge in luxuriöse Etagen, die Suche nach dem Gratisessen.

Scheißhäufchen

Leider gibt es dieses Mal kein Gratisessen, nur überteuerte Uefa-Menüs. Ich kaufe mein Essen also an der irre teuren Stadionbude. Immerhin, eine wirklich gute Neuerung gibt es hier: Das Essen der Uefa ist jetzt moralisch markiert, von niedrigen Emissionen bis zu hohen, anständige Gerichte haben einen schönen grünen Hügel, die größten Klimakiller kriegen ein braunes Scheißhäufchen. Ich kaufe einen schönen grünen Hügel, hauptsächlich weil Fritten eh das Beste sind. Und kurz denke ich: Warum verkauft uns die Uefa eigentlich braune Scheißhäufchen?

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Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum und Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen und übers Reisen. Autorin mehrerer Bücher, zuletzt "Futopia - Ideen für eine bessere Fußballwelt" (2022), das auf der Shortlist zum Fußballbuch des Jahres stand.
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