Berichterstattung im Wintersport: Die schrecklich heterosexuelle Familie

ARD und ZDF berichten ausführlich über Biathlon und Nordische Kombination. Dabei zelebrieren sie auch das Schema Vater-Mutter-Kinder.

mehrere Skiläufer beim Sprint

Sind sie wirklich alle heterosexuell und unterwegs zu Frau und Kind? Foto: dpa

BERLIN taz | Wintersport ist für öffentlich-rechtlichen Sender ein Quotengipfel. Aktuell ziehen Biathlon (live aus dem südkoreanischen Pyeongchang) und die Nordische Ski-WM (bis Sonntag noch aus Lahti, Finnland) Massen an Publikum – an diesem Wochenende hat die ARD die Lizenz zur Produktion von Marktanteilen. Klar: Wenn deutsche Sportler*innen in diesen Disziplinen schießen, laufen und springen, sind sie mindestens mitfavorisiert – das lädt zur Identifikation ein, das ist Stoff fürs Fernsehen.

Seltsam nur, dass die Livekommentare immer auch, ja, besonders außersportliche, persönlich-familiäre Informationen enthalten – aber nur bestimmte. Es sind, man muss das Fachwort nennen, heteronormative Nachrichten, en passent und doch vernehmlich gegeben: Man erfährt, dass dieser oder jener Sportler gerade Vater geworden ist oder sich nach den Wettkämpfen auf seine Kinder freut (immer gern erwähnt: Eric Frenzel, Nordische Kombination), dass diese oder jene Biathleten geheiratet haben und nun ein Kind haben (aktuell: Ole Einar Bjørndalen, Norwegen, und Darja Domratschewa, Weißrussland), dass nach der Karriere bestimmt Nachwuchs geplant sei (einst: bei den Biathletinnen Magdalena Neuner und Andrea Henkel).

Dazu passend werden stets die Partner*innen ins Bild gesetzt, stets an der Arena wartend, quasi ein sehr privater Escortservice für die Spitzenathlet*innen. Dass sind natürlich fernsehtechnisch alles keine Zufälle: Fällt beispielsweise eine Kamera auf das Gesicht einer Frau/Freundin, wenn ihr Freund gerade gesprungen ist, ist ihr jeweiliger Standort jeweils vorher erkundet: Man braucht sozusagen zum Sportler (seltener: zur Sportlerin) das Pendant, sonst, so scheinen die ARD/ZDF-Sportregisseure zu denken, fehlt den um Höchstleistungen Ringenden das emotional rundende Element.

Es ist trostlos, ganz so, als wäre die klassische gute alte heterosexuelle Geschlechtersortierungswelt bei der Quotengarantieabteilung nie überwunden worden: Zu einem Mann gehört eine Frau, zu ihr wiederum muss es ein Mann sein, der sie vervollständigt. Und, wie erwähnt: Immer werden Kinder ins Spiel geführt. Eben existierende oder – als mündlich vorgetragenes Hoffnungsschema – geplante. „Er ist gerade Papa geworden“ ist beinahe zur Redewendung geworden: Als ob das ein im Sport angesiedeltes Verdienst sein könnte, das da zu übermitteln ist.

Beschwörung der Traditionsordnung

Voriges Wochenende bei der Übertragung der Bob-WM aus Königssee, bei der die deutschen Fahrer am Ende vor allen anderen lagen, fragten die (neuerdings stets weiblich-augenklimpernd-verzückten) An-der-Bahn-Interviewer die männlichen Muskelmaschinen nur: Und jetzt nach der Saison wieder zur Familie? Ganz so, als müsste eilig durch die Beschwörung der heterosexellen Traditionsordnung wettgemacht werden, was die Zuschauer stundenlang per Bilderflut präsentiert bekommen: Männer (und auch Frauen) in Kameraderie, Kerle körperlich so eng aneinander hockend, wie es intimer kaum geht: blood, sweat & tears.

Klar, das Argument der Fernsehmacher würde lauten: Es ist doch beste Nachmittagssendezeit, wo üblicherweise Soaps laufen – da möchte man dem Publikum auch Allzumenschliches bieten. Mag sein: Aber es klingt doch nach alter Welt. Denn nicht ein einziges Mal ist bei Wintersportler*innen von gleichgeschlechtlich Privatem die Rede (gewesen), ein Mann zu einem Athleten eingeblendet worden oder eine Liebste zu einer Athletin. Möglich müsste es sein: Es gibt schwule oder lesbische Sportler*innen auch im Wintersport. Aber sie passen offenbar nicht ins Narrativ des Reportageredeestroms.

Es gibt homosexuelle Sportler*innen

Dabei gäbe es eine, die hierfür – sogar öffentlich, sie wollte es nie verhehlen – geeignet wäre: Die österreichische Spitzenskispringerin Daniela Iraschko-Stolz ist keine versteckte Lesbe, vielmehr hat sie vor dreieinhalb Jahren ihre Lebensgefährtin geehelicht – aber das ZDF wusste gerade zu ihr während der TV-Übertragung nichts zu sagen.

Aus der Perspektive von Sportler*innen mag das sogar in Ordnung sein: Letztmals war von Homosexualität im Hochleistungssportbereich beim Fußballer Thomas Hitzlsberger die Rede, vor drei Jahren, als der sich in einem Gespräch mit der Zeit outete – das machte soviel Wirbel, dass selbst die Bundeskanzlerin, notorische „Ehe für alle“-Gesetz-Verweigerin, ihm groteskerweise zu diesem Schritt coram publico gratulierte.

Wer will schon so grell und scheinbejubelt in Szene gesetzt werden? Kein Sportler, keine Sportlerin, der oder die bei Trost ist bzw. sich auf die Mobilisierung der eigenen Leistung konzentrieren möchte. So bleibt es also beim Muster der schrecklich netten heterosexuellen Familienerzählungen – Homosexuelle, die es in allen Wintersportarten auch an der Spitze gibt, passen nicht ins saubere Nachmittagsprogramm. Man fragt sich: Wissen ARD und ZDF eigentlich, wie reaktionär und gestrig sie ihre Arbeit versehen?

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