Berlin vor der Wahl: Oma Anni weiß, wen sie wählt

Vor der Wahl streiten die drei irgendwie linken Parteien. Dabei werden sie wohl koalieren müssen. Wenigstens Oma Anni behält den Durchblick.

Die Linken- und die SPD-Version des Wahlplakats mit Oma Anni

SPD? Oder doch lieber Linke? Foto: SPD/Linke

BERLIN taz | Da sage nochmal jemand, Wahlplakate würden nichts bewirken. In Berlin hat ein kleines Plakat eine heftige Debatte ausgelöst. Beteiligt sind Linkspartei, SPD, Grüne – und „Oma Anni“. Die lehnt sich auf der Wahlwerbung der Linken aus dem Fenster ihrer Wohnung. „Mietrebellin“ steht oben drüber. Und „Oma Anni bleibt“ darunter.

Die Frau auf dem Plakat gibt es wirklich. Die 95-jährige Anni Lenz lebt in einer Siedlung aus den 20er Jahren in Berlins Norden. Seit ein paar Jahren wehrt sie sich zusammen mit ihren NachbarInnen gegen einen Investor, der die Mieten rabiat hochsetzen will. All das konnte man Ende der Woche in einem Porträt des lokalen Boulevardblattes Berliner Kurier nachlesen. Darin sagt Lenz auch, dass sie zugestimmt habe, auf das Plakat der Linkspartei zu kommen. Wählen würde sie die aber nicht. „War immer SPD, das bleib ich auch.“

Ein gefundenes Fressen für die Sozialdemokraten. Die twitterten prompt ein leicht verändertes Plakat: „Mietrebellin Oma Anni bleibt SPD-Wählerin“. Prompt flogen per Kurznachrichtendienst die Fetzen. Im Zweifel werde Oma Anni doch von der SPD „in den Arsch getreten“, schrieb Klaus Lederer, Landeschef der Linken.

Woraufhin sich Andreas Otto, baupolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, einschaltete. SPD und Linkspartei hätten das „selbst verbockt“. Schließlich habe die damals regierende rot-rote Koalition die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft GSW verkauft – und mit ihr die Siedlung samt Oma Anni im Jahr 2004. Nur so konnte der profitgierige Investor zum Zuge kommen. Ja, konterte schließlich Christian Gaebler, SPD-Staatssekretär in der Stadtentwicklungsverwaltung, aber die oppositionellen Grünen hätten damals sogar doppelt so viele Wohnungen verkaufen wollen, um die Löcher im Landeshaushalt zu stoppen. Was die Grünen wie­derum nicht so stehen lassen wollten und so weiter und so fort.

Wer stellt am Ende den Bürgermeister?

Sechs Wochen vor der Wahl am 18. September scheinen die drei irgendwie linken Parteien mal wieder vollkommen zerstritten. Dabei ist eigentlich mehr als offensichtlich, dass sie danach zusammen regieren müssen. Denn der derzeit noch amtierende rot-schwarze Senat ist in allen Umfragen weit von einer Mehrheit entfernt, zudem haben sich SPD und CDU dermaßen überworfen, dass eine weitere Zusammenarbeit nahezu ausgeschlossen ist.

Weil außerdem die AfD ziemlich sicher in das Berliner Abgeordnetenhaus einziehen wird, die CDU aber garantiert nicht mit ihr koalieren will, mag der rechte Flügel im Landesparlament zwar insgesamt gestärkt aus der Wahl hervorgehen, regierungsfähig ist er aber bei weitem nicht.

Deshalb führt diesmal praktisch kein Weg daran vorbei, dass die strukturelle linke Mehrheit, die es in Berlin schon seit 1995 gibt, auch mal wieder zu einer linken Regierung führt. Offen ist eigentlich nur noch, welche der drei Parteien am Ende den Regierenden Bürgermeister stellen darf.

Eine bundesweit einmalige Konstellation

Amtsinhaber Michael Müller kommt in den meisten Umfragen auf nur knapp über 20 Prozent. Dicht gefolgt von den Grünen. Selbst die Linkspartei müsste von den prognostizierten 18 Prozent nur einen kleinen Satz machen, um ganz vorn zu landen. Die linke Wählerschaft in der Hauptstadt darf sich also nicht nur berechtigte Hoffnung auf eine ihr adäquate Regierung machen, sie kann sogar mit der Stimmabgabe aktiv beeinflussen, ob erneut Michael Müller oder doch Ramona Pop, bisher Fraktionschefin der Grünen, beziehungsweise Klaus Lederer, Landeschef der Linken, ins Rote Rathaus einziehen soll. Eine bundesweit einmalige Konstellation.

Gut möglich, dass erst spät am Wahlabend klar wird, wer die Nase vorn hat. Und falls alle drei extrem eng beieinander landen, könnten sie ja noch nach einem gemeinsamen externen Kandidaten suchen. Oma Anni zum Beispiel.

Die darf sich schon mal auf eine sozialere Wohnungspolitik in Berlin freuen. Für sie selbst kommt die allerdings zu spät: Ihr Haus wurde ja schon privatisiert. Dass das ein Fehler war, darin sind sich Rote, Rote und Grüne mittlerweile weitgehend einig. Immerhin ein Anfang.

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