Berliner Kleinverlage II: Die Angst der Kleinen vor dem Erfolg

Es sind schwere Zeiten für Kleinverlage - und doch geht es den Berliner Verlegern vergleichsweise gut. Das liegt zum einen an den vielen Buchläden in der Stadt, zum anderen an der Vernetzung mit den Autoren. Bleibt also nur die Gefahr, an einem Bestseller zu verrecken.

Berlin ist mit 200 bis 300 Verlagen, die der Börsenverein des deutschen Buchhandels zählt, nicht nur die Stadt der deutschen Verlage, sondern auch der deutschen Kleinverlage. Die Szene ist geprägt von Hochs und Tiefs: So gab es besonders in den Achtzigern eine große Euphorie, berichtet Rainer Nitsche vom Berliner Transit Verlag, den er gemeinsam mit Gudrun Fröba 1981 gründete und mit dem er jährlich acht bis zehn Bücher verlegt. „Das Bedürfnis nach Literatur war nach der großen politischen Welle enorm“, sagt er. Nitsche erzählt von „Wissenswut“, vom „intellektuellen Abenteuerspielplatz“ Buchhandlung und nicht zuletzt von den Abonnenten, die alles kauften, was in ihrem Lieblingsverlag erschien – ein System, das es heute gar nicht mehr gibt.

Eine zweite Phase der Euphorie brach vor knapp zehn Jahren an, als sich viele kleine, ambitionierte Verlage gründeten wie 1995 in Berlin der Verbrecher Verlag, 1998 in Köln der Tropen Verlag, 2002 in München der Blumenbar Verlag, 2003 in Berlin Kookbooks und 2004, ebenfalls in Köln, der Verlag Tisch 7.

Auflage kaum kalkulierbar

Doch auch diese Hochphase ist vorbei: Tisch 7 gibt es nicht mehr, Blumenbar gehört jetzt zum mittelständischen Aufbau Verlag und Tropen zum Verlag Klett-Cotta. Jörg Sundermeier vom Verbrecher Verlag, wo jährlich etwa 15 Titel erscheinen, erklärt das Sterben vieler Kleinverlage so: „Die sind alle an Bestsellern verreckt.“ Das heißt: Kein Verlag kann sicher kalkulieren, wie gut sich ein Buch verkaufen wird. Manche verkaufen sich sehr viel schlechter als erwartet, manche aber auch sehr viel besser. Wenn dann noch eine beliebte Literaturkritikerin wie Elke Heidenreich in ihrer TV-Sendung überraschend das eigene Buch in die Kamera hält, kann es passieren, dass man plötzlich 50.000 Exemplare eines Titel drucken muss, von dem man dachte, man würde nur 2.000 verkaufen.

Einen Druckauftrag dieser Größe muss man allerdings erst einmal finanzieren. Banken erweisen sich dabei meist als schlechte Helfer, denn „jeder weiß ja, dass das Geld stark gefährdet ist, das man in solche Unternehmen steckt“, sagt Rainer Nitsche vom Transit Verlag. So kommt es, dass sich Verleger wie Jörg Sundermeier freuen, wenn sich ein Buch mehr als 2.000 Mal verkauft hat – dass sie sich aber davor fürchten, einmal wirklich einen richtigen Bestseller zu landen.

Eine Stadt voller Autoren

Dennoch geht es vielen Kleinverlegern in Berlin besser als anderswo. Das liegt zum einen an den vielen erfolgreichen Kiezbuchhandlungen in der Stadt, die sich für die Berliner Verlage besonders engagieren, sagt Rainer Nitsche. Es liegt auch daran, dass in Berlin mehr Autoren leben als in jeder anderen deutschen Stadt, man also besser vernetzt ist als anderswo. So versteht sich der Verbrecher Verlag explizit als Berliner Verlag, der allerdings zunehmend Bücher für alle macht und allmählich „in ruhigere Fahrwässer geraten ist“, wie Jörg Sundermeier sagt.

So glaubt auch Daniela Seel von Kookbooks, dass als unabhängiger Verleger nur überleben kann, wer sich seine Nischen baut, „diese mit viel Liebe belebt“ und zudem „weiß, wo der Nachwuchs steckt“. Wer dagegen seinen Verlag vor allem deshalb betreibt, weil er Geld verdienen will, meint Daniela Seel, der ist zum Scheitern verurteilt.

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